Rote Sonne über Darkover - 5
beruhigend zu, stand auf und nahm eine Kerze in die Hand.
»Ich bin müde, Nanny, und gehe jetzt nach oben. Leg dich auch schlafen, und danke für alles.«
Sie kam und küßte ihm die Hand, und sie blinzelte heftig, als wolle sie von neuem zu weinen beginnen. »Nun, nun, Nanny, geh ins Bett.« Er klopfte der alten Frau die Wange. Sie ging, die Schürze vors Gesicht haltend. Regis nahm einen Apfel aus der Schüssel auf dem Tisch und kam ihm nach. »Ich liebe eure Äpfel«, sagte er.
»Könnte euer Verwalter mir ein Faß davon nach Thendara schicken?«
»Nichts ist einfacher. Erinnere mich, es ihm morgen zu sagen«, antwortete Danilo, und sie gingen gemeinsam zur Treppe.
III
Im Flur oben zögerte Danilo vor der schweren geschnitzten Doppeltür des Zimmers, das seinem Vater gehört hatte. Er war in seinem ganzen Leben kein dutzendmal darin gewesen. Schließlich sagte er: »Ich … ich kann nicht allein hineingehen …«, und Regis’
Hand legte sich fest auf seine Schulter.
»Natürlich kannst du das nicht. Sie hätte es nicht von dir erwarten sollen. Wenn du zurückkämest, um hier zu leben, wäre es etwas anderes.« Er drückte die Tür auf, und sie betraten das Zimmer gemeinsam. Danilo steckte mit seiner Kerze einen Leuchter an, der auf dem alten geschnitzten Schreibtisch stand. Das Licht war freundlich zu den verblichenen Wandbehängen, dem schäbigen Teppich. Aber die alten Möbel waren gut gehalten und glänzten vor Wachs. Das große Bett hing an der Seite durch, wo der alte Mann all diese Jahre allein geschlafen hatte. Auf der anderen Seite lag ein immer noch hohes, festes, unberührtes Kissen, ein rührender Kontrast zu dem plattgedrückten lumpigen alten, auf dem in der ganzen Zeit seines Vaters Kopf geruht hatte.
Siebzehn Jahre ist es jetzt her, daß ich in diesem Bett geboren wurde und meine Mutter dort am selben Tag starb. Dieses einseitig sackende Bett bewegte ihn ganz außerordentlich. Er hat all diese Jahre allein hier gelebt, und ich habe ihn noch mehr allein gelassen.
»Aber du bist nicht allein hier«, tröstete Regis ihn leise. »Ich werde bei dir bleiben, Dani.«
»Aber ich … du …« Danilo sah Regis hilflos an, und sein Freund lächelte ein bißchen. Er sagte: »Nein, Dani … wir müssen jetzt darüber sprechen. Damals waren wir beide nicht bereit dazu, ich weiß. Aber … wir sind durch einen Eid verbunden. Und du weißt so gut wie ich, was das bedeutet …«
Danilo betrachtete den fadenkahlen Teppich. Er schlug mit seinen Worten protestierend um sich. »Ich dachte … du seist so … so schockiert wie ich, es mache dich ebenso krank, was … was Dyan von mir wollte …«
Regis’ Gesicht zuckte im Kerzenlicht.
»So empfinde ich immer noch … wenn Gewalt angewendet wird oder wenn es nicht freiwillig geschieht«, antwortete er. »Was mich krank macht, war jedoch Dyans … Hartnäckigkeit, nicht sein Geschmack, wenn du das verstehst. Der Geschmack ist für mich …
kein Geheimnis. Im Gegenteil. Aber … freiwillig gegeben und zwischen Freunden. Nicht auf andere Art. Ich dachte …« Wie aus sehr weiter Ferne hörte Danilo, daß die Stimme seines Freundes bebte, und er schirmte sich gegen den unverhüllten Ausbruch von Leidenschaft ab. »Ich dachte, dir gehe es ebenso wie mir - wir teilen das Gefühl, wie einer zu sein, und wir hätten es nur auf einen anderen Zeitpunkt verschoben. Auf einen Zeitpunkt, wenn wir nicht krank oder verängstigt und auch nicht in Lebensgefahr sein würden, nicht unter dem Schatten … dem Schatten deiner Furcht von Dyan.
Und ich glaubte, es könne keinen besseren Zeitpunkt geben als diesen … um zu bestätigen, was wir einander einmal geschworen haben, daß wir zusammengehören …«
Eine ungeheure Verlegenheit überwindend gelang es Danilo, die Arme nach Regis auszustrecken und ihn zu umarmen, wie es unter Verwandten üblich ist. Er küßte ihn schüchtern auf die Wange und dachte an den Tag, als er dies schon einmal getan hatte, an den Tag im Obstgarten. Nach Worten suchend, erklärte er: »Du bist mein geliebter Bruder und mein Lord. Alles, was ich bin, alles, was ich dir in Ehren geben kann … ich liebe dich. Ich würde mein Leben für dich geben. Was das übrige angeht … das zu geben, liegt, glaube ich, nicht in mir …« Er konnte nicht weitersprechen.
Regis drückte ihn fest an sich, seine Hände glitten nach oben und faßten Danilos Ellenbogen. Er sah ihm tief in die Augen und versicherte leise: »Du weißt, daß ich nichts von dir will,
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