Rote Sonne über Darkover - 5
ich mit der anderen. Ich akzeptierte seine Hingabe und Liebe, und dann wollte ich aus Angst vor müßigen Zungen ihm nichts weiter von mir geben.
Regis hielt immer noch seine Hand. Danilo beugte sich vor und umarmte ihn, doch diesmal nicht förmlich. Er empfand überwältigende Demut. Mir ist so viel gegeben worden, und ich bin nur so wenig zu geben bereit.
»Wenn mein Vater ihre Bilder all diese Jahre neben seinem Bett aufbewahrt hat«, sagte Danilo, »und wenn er mich von seinen Händen in deine hat geben lassen, mein Bruder … nun, dann ist es das Gesetz des Lebens, daß eines, von uns des anderen Last tragen soll. Alles, was ich bin, und alles, was mein ist, gehört auf ewig dir, mein Bruder. Bleib heute nacht hier bei mir …« Er lächelte Regis bedeutsam zu und sprach das Wort zum erstenmal in der Form aus, die nur unter Liebenden gebraucht wird: »Bredu.«
Regis flüsterte: »Wer weiß? Vielleicht sind sie tatsächlich in uns zurückgekehrt, auf daß wir eines Tages ihren Eid erneuerten …«
Und als er Danilo an sich zog, fiel das Bild um und kippte zu Boden.
Regis streckte die Hand danach aus, Danilo tat desgleichen, und ihre Hände trafen sich auf dem Rahmen. Danilo war, als zerreiße ihm Regis’ Lächeln das Herz, so viel lag darin an Bereitschaft und Liebe und Freude. Es gab etwas wie einen kurzen Kampf, als jeder versuchte, das Bild zu fassen und aufzuheben. Dann lachte Regis und überließ es Danilo, es auf das Tischchen neben dem Bett zu stellen.
»Morgen«, sagte Danilo, »muß ich die persönlichen Unterlagen meines Vaters durchsehen. Wer weiß, was wir sonst noch finden werden?«
»Wenn wir sonst nichts finden«, Regis hielt Danilos Hände fest, und seine Worte kamen atemlos, »haben wir doch bereits den größten Schatz gefunden, bredhyu.«
IV
»Der Herr hat Eure Botschaft erhalten«, sagte Dyans Verwalter,
»und er bittet Euch, wenn Euch die Reise nicht zu sehr ermüdet hat, für einen Augenblick zu ihm ins Musikzimmer zu kommen.«
Also freut auch er sich, daß ich wieder zu Hause bin. Ich habe hier einen Patz für mich geschaffen. Danilo dankte dem Mann, ließ sich von ihm den Reisemantel abnehmen und ging zum Musikzimmer. Von drinnen hörte er den leisen Klang einer Rryl und dann Dyans tiefe und melodische Stimme.
»Nein, mein Lieber, versuche, den Akkord so zu greifen …« Und als er eintrat, sah er, wie Lord Ardais die Finger Julians auf den Saiten zurechtrückte. »Siehst du, so kannst du den Akkord anschlagen und sofort mit der Melodie fortfahren …« Er brach ab, und beide blickten auf. Das Licht fiel auf Dyans Gesicht, aber Julians Gesicht blieb im Schatten, und Danilo dachte: Er ist es zufrieden, in Dyans Schatten zu leben. Das hatte ich bis jetzt nicht begriffen. Ich glaubte, er suche Dyans Gunst, wie eine barragana ihren Körper für wertvolle Geschenke hingibt … Aber jetzt weiß ich, daß es mehr ist als das.
Dyan nickte Danilo zu, doch seine Aufmerksamkeit galt immer noch Julian. Er sagte: »Jetzt laß mich hören, wie du es diesmal richtig spielst«, und als der Junge die Tonfolge wiederholte, zeigte er sein seltenes Lächeln. »Siehst du, so ist es besser; man hört dann gleichzeitig die Melodie und die Harmonie. Wir brauchen beides.«
Er stand auf und ging auf Danilo zu, der im Eingang des Musikzimmers stand.
Mit blitzartiger Intuition dachte Danilo: Er weiß Bescheid. Aber es war ja kein Geheimnis, und er wollte es auch nicht mehr aus Scham oder Furcht verbergen. Was er und Regis geteilt hatten, würden sie, wie er jetzt wußte, für den größten Teil des Lebens, der noch vor ihnen lag, teilen. Es unterschied sich im Grunde nicht so sehr von dem, was Dyan und Julian teilten, aber er schämte sich der Ähnlichkeit nicht mehr.
Ich mag nicht besser sein als er, aber ich bin auch nicht schlechter. Und das ist - er dachte daran, wie liebevoll Dyans Hand die Finger Julians auf den Saiten geführt hatte - das ist ja auch nichts Schlimmes. Ich habe mir eingebildet, besser als Dyan - oder als Julian - zu sein, weil ich entschlossen war, diese Ähnlichkeit nicht zu sehen. Es ist eine seltsame Bruderschaft. Aber eine Bruderschaft ist es immerhin.
Er zog Dyan in die unter Verwandten übliche Umarmung. »Sei gegrüßt, Pflegevater.« Es gelang ihm sogar ein zögerndes Lächeln für Julian. »Guten Abend, Verwandter.«
»Ich nehme an, du hast in deiner Heimat alles in Ordnung gebracht?«
»Ja«, antwortete Danilo, »in der Tat, ich habe alles in Ordnung gebracht. Da
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