Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
Schon damals waren ihm dort zu viele Cowboys und Angeber gewesen.
    Auf der Wache war es heiß und ziemlich voll. Er wartete, bis er an der Reihe war, und fragte, ob er Jamie Keyter sprechen könne, dessen Vorname nicht englisch, sondern wie
Jaa-mie
ausgesprochen wurde. Der schwarze Konstabel versprach, nachzusehen, kehrte kurz darauf zurück und meldete: »Der Inspector kommt gleich.«
    Joubert stellte sich ein wenig abseits. Am liebsten hätte er seine Krawatte gelockert, und er wünschte, er hätte sein Jackett im Auto gelassen. Fünf Minuten lang wartete er und beobachtete und belauschte den Grenzposten, an dem zwei Welten aufeinandertrafen: die Bürger und die Polizei. Jede Dienststelle hatte ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Atmosphäre, ihre eigenen Geräusche. Die Stimmen der Geschädigten, die Anzeige erstatteten, manche ärgerlich, andere niedergeschlagen. Irgendwo aus einem Büro drangen die lauten Stimmen zweier Streitender. Telefone klingelten. Man hörte die geduldigen Schritte der drei uniformierten Beamten, die in der Wache Dienst schoben, die die Leute beruhigten und ihnen halfen, Aussageformulare auszufüllen. Sie waren schon seit mindestens sechs Stunden auf den Beinen, ihre Bewegungen waren von erschöpfter Routine geprägt.
    Dann kam Keyter, mit einem Stirnrunzeln, das besagte: Wer stört mich jetzt schon wieder?, bis er Joubert sah, plötzlich den Rücken straffte und fragte: »Sup?«, als habe er ein schlechtes Gewissen.
    |496| »Jamie«, sagte Joubert und hielt ihm die Hand hin, »ich bin nicht mehr im Dienst.«
    Ein wenig verwirrt schüttelte ihm Keyter die Hand. »Sup?«, fragte er erneut, als käme die Information zu überraschend, um sie so schnell zu verarbeiten. Joubert sah, dass er sich kaum verändert hatte. Er trug immer noch die engen Golfhemden, deren Ärmel sich über dem gewölbten Bizeps spannten, heute eines in schwarz mit dem NIKE-Logo in silber auf der Brust, dazu eine schwarze Jeans und schwarze NIKE-Sportschuhe.
    »Am Freitag war mein letzter Tag. Ich arbeite jetzt für Jack Fischer en Genote.«
    »Oh. Oka-a-ay«, sagte Keyter mit einer Stimme, die Joubert reizte.
    »Ich arbeite an einem fünfundfünfzig. Ein gewisser Danie Flint, wird seit letztem Jahr vermisst. Seine Frau sagt, es war dein Fall.«
    »Danie Flint?«, fragte Keyter und kratzte sich am Kopf.
    »Ja, letztes Jahr Ende November. Sein Auto stand hier auf dem Virgin-Active-Parkplatz.«
    Ihm ging ein Licht auf. »Ach! Der da!« Erwartungsvoll sah er Joubert an.
    »Ich wollte mich nur erkundigen, ob es neue Erkenntnisse gibt, Jamie.«
    »Erkenntnisse, Sup?«
    »Ich bin kein Sup mehr, Jamie.«
    »Okay … Ich müsste die Akte raussuchen, aber wenn ich mich recht entsinne … Da war nichts. Der Typ ist spurlos verschwunden.«
    Joubert unterdrückte einen Seufzer. »Das ist ja das Problem. Hast du mit den Leuten auf seiner Arbeitsstelle geredet?«
    »Ich … Nein, ich meine … Da war kein … Du weißt doch, wie das ist, Sup, die Typen gehen mit den Kumpels angeln, sagen ihrer Frau nicht Bescheid … Ich meine, sein Auto stand hier …«
    Joubert nickte und steckte eine Hand in die Innentasche seines |497| Jacketts. Keyter verfolgte misstrauisch seine Bewegungen. Joubert zückte sein Portemonnaie, holte eine Visitenkarte heraus und gab sie dem Ermittler. »Wenn dir noch irgendetwas einfällt, Jamie, oder sich etwas Neues ergibt …«
    »Okay, Sup, dann rufe ich sofort an.«
    »Ich bin kein Sup mehr.«
     
    Er saß im Honda und beobachtete, wie sich seine Theorie allmählich bestätigte.
    Der Parkplatz füllte sich, Leute mit Sporttaschen strebten zum Studio, andere trugen Bücher zur Bibliothek. Zwischendurch war es zeitweise still, zwei oder drei Minuten, in denen irgendetwas mit Danie Flint hätte geschehen können, wenn jemand geschickt und effektiv vorgegangen wäre. Doch ein Kampf oder eine Auseinandersetzung, hier, ohne dass jemand etwas bemerkt hätte, erschienen immer unwahrscheinlicher.
    Joubert blieb bis nach achtzehn Uhr sitzen und dachte über Jamie Keyter und den Flint-Fall nach. Er wusste, wie sehr Ermittler in den Dienststellen beansprucht wurden, selbst faule Hunde wie Keyter – zu viele Fälle, zu wenig Personal, zu wenig Zeit, so dass immer irgendetwas durch die Ritzen fiel. Tanja hatte recht: Vermisste Erwachsene genossen nicht immer Priorität, es sei denn, es gab deutliche Hinweise auf ein Verbrechen. Ansonsten fielen sie unter die Kategorie »häusliche Auseinandersetzung« – wie viele

Weitere Kostenlose Bücher