Rote Spur
Genehmigungen.«
Er sah mich forschend an und dachte nach.
»Okay«, sagte er schließlich. »An wen muss ich mich wenden? Gibst du mir die Telefonnummer?«
»Aber das ist doch sowieso sinnlos. Nach Musina fährt man einen ganzen Tag.«
»Das Flugzeug«, sagte er und wies mit dem Daumen zum Flugplatz. »Das ist Lotter. Er wartet auf dich.«
Nach zehn Minuten Diskussion am Handy reichte er mir den Apparat. »Sie will mit dir reden.«
»Hallo, Jeanette«, grüßte ich.
»Freut mich zu hören, dass du jetzt schon selbst die Kunden akquirierst.« Die wohlbekannte Ironie lag in ihrer Gauloise-Reibeisenstimme, gefolgt von einem kurzen, gebellten »Ha!«, was bei ihr ein Lachen bedeutete.
Ich sagte nichts.
»Ich kümmere mich um den Verwaltungskram, wenn du den Job haben willst.«
Wollte ich? Es war gefährlich nahe an zu Hause. Und ich hatte noch einige Fragen. Alles geschah Schlag auf Schlag. Erst die Biker, jetzt die Nashörner. Und der Auftrag verstieß gegen |122| Lemmers Erstes Gebot: kein persönliches Engagement. Und die ganze Sache war sehr persönlich. Es ging um einen einheimischen Farmer und eine bedeutende Aktion.
Jeanette interpretierte mein Schweigen richtig. »Bestimmt weißt du mehr als ich. Es ist deine Entscheidung.« Dann fügte sie hinzu: »Es ist eine gute Sache, Lemmer. Er klingt wie ein anständiger Mensch. Und du kennst ja unsere Situation, bei der derzeitigen Rezession …«
Ich wusste Bescheid. Die Umsätze von Body Armour waren aufgrund der globalen Wirtschaftskrise um fünfzig Prozent gesunken. Ich hatte vor zwei Monaten den letzten Cent verdient.
Ich blickte in Emmas bittende Augen. Sie war – genau wie Jeanette – bereits ein Diederik-Fan. Ich dachte an den jungen Lourens le Riche, einen hart arbeitenden Studenten. Was würde das Dorf sagen, wenn ich ihn im Stich ließe? Ich dachte an die Raten für meinen neuen Ford-Bakkie. Und an mein Dach. Oom Ben Bruwers leises Pfeifen, als er durch die Zimmerdecke hinuntergeklettert kam und sagte: »Die Balken sind alle morsch. Du brauchst ein komplett neues Dach.«
Ich seufzte.
»Ich bin dabei«, sagte ich.
22
Um Zeichen erkennen zu können, müssen Spurenleser wissen, wonach und wo sie suchen sollen. Wer nicht mit Spuren vertraut ist, wird sie womöglich nicht entdecken, selbst wenn er genau davorsteht.
Grundzüge des Spurenlesens: Die Erkennung von Zeichen
Lotter glich einem Rockstar in den mittleren Jahren – lichtes Haar, zu einem Pferdeschwanz gebunden, eine runde Brille in dem sonnenverbrannten, scharfgeschnittenen Gesicht. Er begrüßte mich mit Handschlag und einem leutseligen Lächeln, |123| nahm mir meine schwarze Sporttasche ab und ging auf das Flugzeug zu. Die Maschine war lächerlich klein, ein Spielzeug in Weiß, Blau und Rot mit einer Plexiglasblase über dem Cockpit, zwei Sitzen und fragilen Steuerknüppeln, wo man etwas Stabileres erwartet hätte. Sie sah aus wie eines jener »einmotorigen Sportflugzeuge«, von denen man ab und zu in den Nachrichten hörte, für gewöhnlich mit der Meldung »abgestürzt« im selben Satz.
Emma ging hin und betrachtete die Maschine neugierig, gefesselt von dem, was sie soeben noch als mein »aufregendes Abenteuer« bezeichnet hatte.
Diederik Brand gesellte sich zu mir. »Keine Sorge. Lotter gehört zu den besten Piloten Südafrikas.«
Aber mich beunruhigte nicht, wie er flog, sondern was er flog. Ich sagte nichts.
»Hier, nur für alle Fälle«, sagte Brand und reichte mir ein Bündel, das in einen schmuddeligen Lappen eingewickelt war.
Ich roch Waffenöl und begann, es auszuwickeln.
Er legte eine Hand auf das Paket. »Vielleicht solltest du es dir erst ansehen, wenn ihr in der Luft seid«, riet er mir und schaute mit einem vielsagenden Blick zu Emma. »Ich möchte sie nicht beunruhigen.«
»Gibt es etwas, was ich wissen müsste?«
»Du weißt doch, was auf unseren Straßen los ist«, erwiderte er ausweichend.
Unschlüssig stand ich da. Meine Glock 37 inklusive zehn Vollmondclips mit je sechs Patronen Kaliber .45 steckte in meiner Sporttasche. Mehr brauchte ich eigentlich nicht. Doch Diederik Brand hatte sich bereits abgewandt, ging auf die Höllenmaschine zu und klatschte in die Hände. »Kommt, kommt, ihr müsst los!«
Ich sah auf meine Armbanduhr. Fünf vor zwölf.
Vor zwei Stunden war mein Leben noch eine Idylle gewesen.
Ich stand neben der Tragfläche, bereit zum Einsteigen. Emma kam auf mich zu. Eine seltsame Mischung von Gefühlen spiegelte sich auf
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