Rote Spur
Schultern geklopft und sich große Mühe gegeben, ihr zu |129| erklären, dass die Ameisen in der Karoo sich nicht sonderlich für biologische Bekämpfungsmittel interessierten.
Emma hatte mich überredet, sie an den Sonntagen in die Kirche von Loxton zu begleiten. Sie war der Grund, warum wir zu einem Grillfest am Wasserski-See und zu einem Rugbyturnier-Essen im Blauen Haus eingeladen wurden. Emma le Roux, mein gesellschaftlicher Pass, mein Visum, durch das man mir Asyl gewährte. Und ich hatte das alles zugelassen, rettungslos verliebt, wie ich war, und die mahnende Stimme aus dem Hintergrund unterdrückt, die manchmal fragte: Und was passiert, wenn sie alle herausfinden, wer du wirklich bist?
Denn genau wie Emma wusste auch Loxton nicht Bescheid.
Ich war sicher, dass sie irgendetwas ahnten. Antjie hatte ab und zu vorsichtig nachgehakt, und Emma hatte Einblicke in mein Leben gewonnen, als sie meine Klientin war. Auf der Suche nach ihrem Bruder hatte ich meine Talente praktisch demonstriert, und möglicherweise hatte er in seinen Erzählungen einige Facetten davon seiner Schwester offenbart. Vielleicht war dies auch Teil der Anziehung, die ich auf sie ausübte, denn sie hatte sich damals geschmeidig in die Rolle des Schützlings gefügt – wobei Frauen im Allgemeinen eher dazu neigten.
Heute Morgen hatte sie meine Reaktion auf die Biker beobachtet und mich zurückgehalten. Ohne mir Vorwürfe zu machen. Vielleicht glaubte sie, sie könne mich beeinflussen.
Aber sie kannte bisher nur einen Teil von mir.
Ich musste ihr die volle Wahrheit erzählen.
Ich hatte schon mehrmals dazu angesetzt. Es hatte Augenblicke gegeben, da war ich kurz davor gewesen, da war die Sehnsucht nach einer Beichte so stark gewesen, dass ich sie im Mund schmecken konnte.
Ich habe im Zorn einen Mann erschlagen, Emma. Und es hat mir Genugtuung verschafft. Befriedigung. Denn ich bin das Produkt von Gewalt. Sie ist in mir. Ich verkörpere sie.
Doch bevor ich den Geist aus der Flasche herausließ, strangulierte mich jedes Mal die Angst, dass ich sie verlieren würde, dass sie mich nicht mehr lieben könnte. Mehr noch: dass mir |130| damit jede Möglichkeit genommen würde, ein anderer zu werden, jemand, der ihrer Liebe würdig wäre. Denn das tat sie mit mir. Sie brachte mich zum Lachen, sie brachte mich dazu, sie zum Lachen zu bringen, leichtherzig, spielerisch und spitzfindig zu sein und die dunklen Gassen in meinem Kopf zu vergessen. Zum ersten Mal im Leben begann ich, mich ein wenig zu mögen. Weil sie mich akzeptierte. Und mich jetzt sogar liebte.
Ich liebe dich, Lemmer.
Ich hatte neben dem Flugzeug gestanden, in ihren Armen, ihren Mund an meinem Ohr, und hatte – geschwiegen. Denn ich wusste, dass ich ihr alles erzählen musste, bevor ich ihr antwortete.
Doch es war längst zu spät, die Gefahr, Schmerz und Verletzungen zu verursachen, viel zu groß. Für mich und für sie.
Ich blickte über die endlosen Ebenen des Nordkaps und fragte mich, wovon mir übel geworden war – von dem kleinen Flugzeug oder von meinem großen Betrug.
23
Spurenleser suchen oft zuerst an offensichtlichen Stellen nach Zeichen …
Grundzüge des Spurenlesens: Die Erkennung von Zeichen
Um meinen Grübeleien zu entkommen, fragte ich Lotter, woher er Diederik kannte.
»Er ist der Freund eines Freundes. Vor ein paar Jahren hat er mich angerufen und gesagt, er habe gehört, ich flöge überallhin. Er wolle eine Investitionsmöglichkeit in Mosambik überprüfen, aber es sei zu weit, um mit dem Auto hinzufahren, Zeit sei Geld, ob ich ihn abholen könne? Damit hat alles angefangen. Und inzwischen geht es so: Diederik ruft an und sagt, er brauche dringend Traktorteile aus Ermelo, oder: Lass uns mal schnell in Windhoek vorbeischauen, oder: Hol bitte meinen Kumpel in |131| Loxton ab. Und du weißt, wie das ist: Bezahlt zu werden für das, was man am liebsten tut … Hast du gewusst, dass er einen Landeplatz auf der Farm hat?«
Ich sagte, ich wisse im Grunde kaum etwas über Diederik.
»Er ist schon ein Original. Und ein gewiefter Geschäftsmann. Überall hat er die Finger drin.«
Die geteerte Landebahn von Musina erstreckte sich vor uns von Osten nach Westen, lang und luxuriös in der dunkelbraunen Landschaft.
Um zwanzig vor zwei flogen wir tief über die Abwasserwerke und den Friedhof. Die Stadt lag zu unserer Rechten. Lotter landete sanft, mit einer beeindruckenden Lässigkeit, drehte und fuhr zurück ans östliche Ende, dann rechts auf eine
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