Rote Spur
ihre Haltung provozierte.
»Alle Karoobewohner, die ich kenne, sind von Grund auf ehrlich. Ehrbar. Sie haben ein Arbeitsethos, das besagt, es gibt nur einen Weg, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass Diederik anders sein könnte.«
|157| »Ist er es?«
»Offenbar schon«, antwortete ich und sah Lourens hilfesuchend an.
»Ja, er ist anders«, bestätigte Lourens, bremste und setzte den Blinker. »Hier müssen wir abbiegen.« Er deutete auf den Wegweiser, der nach rechts die Abzweigung auf die D579 in Richtung Lapalala Wilderness Game Reserve anzeigte.
Floh griff nach der Karte und faltete sie auseinander. »Bist du sicher?«
»Ja«, sagte er, wurde noch langsamer und bog von dem Asphalt auf eine breite, unbefestigte Straße ab. Er warf mir einen flüchtigen Blick zu, dann sahen wir beide in die Seitenspiegel. Langsam gab er Gas.
Die Straße hinter uns blieb dunkel.
Lourens beschleunigte.
Alles dunkel.
Floh zog die Karte zu Rate und sagte: »Ich verstehe immer noch nicht, warum wir hier abgebogen sind.«
»Wir müssen über Vaalwater«, erklärte Lourens. »Und von da aus nach Bela-Bela. Das ist kein großer Umweg.«
Dann schwieg er, denn plötzlich tauchten hinter uns wieder die Scheinwerfer auf.
28
Wenn Sie die Natur lieben und viel Zeit im Busch verbringen, ist die Wahrscheinlichkeit, früher oder später gebissen zu werden, nicht unerheblich (besonders, wenn Sie Schlangen aufspüren wollen).
Grundzüge des Spurenlesens: Spureninterpretation
»Was ist los?«, fragte Floh. Sie war schließlich nicht dumm.
»Mach dir über die Strecke keine Gedanken«, sagte Lourens.
»Warum habt ihr euch so angeschaut?«
»Weil jemand hinter uns herfährt, schon seit einer Stunde«, sagte ich, weil ich fand, dass sie es wissen musste.
|158| Sie schaute mich an, als sähe sie mich zum ersten Mal. Dann stieß sie ein kurzes, hässliches Lachen aus. »Du machst Witze.«
»Sieh selbst«, sagte ich und zeigte auf den Spiegel.
Sie beugte sich nach vorn, sah die Lichter und fragte dann skeptisch: »Und der ist schon seit einer Stunde hinter uns?«
»Er ist auch abgebogen, als wir abgebogen sind«, sagte Lourens.
»Und wenn schon«, sagte sie. »Kann ich noch einen Schluck Kaffee haben?« Dann fragte sie: »Glaubt ihr vielleicht, ich falle darauf rein? Haltet ihr mich für blöd?«
»Nein«, sagte ich.
Das beruhigte sie.
Ich versuchte, mir die Landschaft rings um uns im Geiste vorzustellen. Die Straße führte bergauf und bergab und schlängelte sich durch dunkle Hügel. Ich vermutete, dass wir in den Waterbergen waren. Im Scheinwerferlicht sah man die Dornakazien dicht am Wegesrand stehen, hier und da eine mächtige Felsformation. Nicht gerade ideal.
»Ich möchte, dass wir auf Nummer sicher gehen, Lourens. Lass uns eine längere Gefällestrecke abwarten. Tritt nicht auf die Bremse, damit sie nicht gewarnt werden, sondern brems mit dem Getriebe. Langsam und gleichmäßig. Die Scheinwerfer lässt du an.«
»Okay.«
Floh ignorierte uns. Sie schmollte.
Die Straße beschrieb weite Kurven, erst nach links, einen Kilometer weiter nach rechts. Dann folgte ein langes, gerades Stück mit leichtem Gefälle. Lourens nahm den Fuß vom Gas, schaltete, ging in den Leerlauf. Der Mercedes verlor an Geschwindigkeit. Unablässig sahen wir in die Spiegel. Die Lichter tauchten hinter der letzten Kurve auf, wurden zunächst größer, als sie sich näherten, veränderten sich dann nicht mehr.
Ich sah hinauf zur Innenbeleuchtung und betätigte den Schalter, so dass das Licht nicht aufleuchten würde, wenn man die Türen öffnete. »Präge dir genau ein, wie die Straße verläuft und schalte dann die Scheinwerfer aus.«
|159| Lourens wartete einen Augenblick, schaltete dann die Lichter aus. Plötzlich herrschte stockfinstere Nacht. Man sah nur noch die Scheinwerfer hinter uns, jetzt wieder erheblich näher.
»Wenn wir stehenbleiben, mach den Motor aus und zieh die Handbremse. Aber bleib sitzen, die Hand am Zündschlüssel.«
»Okay.« Er war ruhig und besonnen. Genau das, was wir brauchten.
Ich holte die Glock aus dem oberen Fach, wartete, bis wir ausgerollt waren, öffnete die Tür, sprang heraus und rannte am Truck entlang nach hinten, den Revolver in der Hand. Lourens schaltete den Motor aus.
Die Lichter hinter uns waren nur noch zweihundert Meter entfernt. Dann gingen sie plötzlich aus.
Ein sehr schlechtes Zeichen.
Am Himmel standen Sterne, aber kein Mond. Meine Augen waren
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