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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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erneut in den Spiegel und fragte: »Warum überholt der Kerl nicht?«
    Ich schenkte Kaffee in den zweiten Becher.
    »Er fährt schon seit kurz hinter Alldays hinter uns her«, sagte Lourens, noch immer in gedämpftem Ton.
    »Wie lange insgesamt?«
    »An die fünfzig Kilometer.«
    Auf den unbefestigten Straßen war das Überholen schwierig, aber jetzt hatten wir die Asphaltstraße erreicht und das Tempo verlangsamt bis knapp über siebzig. »Was macht er jetzt?«
    »Er hat den Abstand vergrößert.«
    »Brauchst du diesen Spiegel?«, fragte ich und zeigte auf den auf meiner Seite.
    »Nein, stell ihn ruhig für dich ein.«
    Ich ließ das Fenster herunter. Die Nacht hatte sich erheblich abgekühlt, seitdem wir die Nashörner verladen hatten. Ich stellte den Spiegel so ein, dass ich die Straße hinter uns im Blick hatte. Das Windgeräusch weckte Floh.
    »Was ist denn?«, fragte sie und wischte sich mit einer Hand über den Mund.
    Ich kurbelte das Fenster hoch. »Ich habe nur den Spiegel eingestellt.«
    Sie richtete sich auf, streckte sich, soweit es auf dem engen Raum möglich war, und fuhr sich mit den Fingern durch das wirre Haar.
    »Möchtest du Kaffee?«, fragte Lourens.
    Sie nickte, rieb sich die Augen und sah auf die Uhr.
    Ich gab ihr meinen Becher und schaute in den Spiegel. Die Scheinwerfer waren immer noch hinter uns, etwa einen halben Kilometer entfernt.
    »Warum fahren wir so langsam?«, fragte Floh mürrisch.
    |155| Lourens gab wieder Gas. »Weil wir die Spiegel einstellen mussten«, sagte er und warf mir einen verschwörerischen Blick zu.
     
    Der Fahrer hinter uns hielt Abstand, was nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben musste. Manche Autofahrer überholten nachts nicht, weil sie sich lieber an den roten Rückleuchten vor ihnen orientierten.
    Als Floh ihren Kaffee halb ausgetrunken hatte, fragte Lourens sie: »Wie war die Fahrt durch Simbabwe? Schlimm?«
    »Was glaubst du denn?«
    Doch er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Woher kennst du eigentlich Oom Diederik?«
    »Ich kenne ihn gar nicht.«
    »Ach?«
    »Ich kenne Ehrlichmann.« Ein kleines Eingeständnis.
    »Wer ist Ehrlichmann?«
    Sie seufzte kaum hörbar und fragte übertrieben geduldig: »Weißt du, woher die Nashörner stammen?«
    »Ja.«
    »Ehrlichmann hat sie im Chete gefangen.«
    »Er ist der ehemalige Wildhüter?«
    »Ja.«
    »Aha.« Dann fragte er verwundert: »Und woher kennst du ihn?«
    Wieder ein leiser Seufzer. »Letztes Jahr hat im Chizarira-Wildnationalpark von Simbabwe ein WWF-Elefantenzensus stattgefunden. Ich hatte mich freiwillig gemeldet, und Ehrlichmann gehörte mit zum Team.«
    »Ach so«, sagte Lourens.
    Noch immer waren die Scheinwerfer hinter uns.
    Floh trank ihren Becher aus und reichte ihn mir, zog die Beine an, kreuzte sie im Lotussitz und verschränkte die Arme unter der Brust. »Erzähl mir von Diederik Brand.«
    »Oom Diederik …«, sagte Lourens. »Wo soll ich anfangen? In der Bo-Karoo ist er eine Art Legende …«
    »Ist er reich?«
    |156| Interessante Frage.
    »Oom Diederik? Ja, er ist reich.«
    »Wie ist er an sein Geld gekommen?«
    Lourens lachte nur kurz auf.
    »Was soll das heißen?«
    »Na ja, Oom Diederik ist, wie soll ich sagen? Er ist ein …« Er suchte nach dem passenden Euphemismus.
    »Schwarzer Schwan«, sagte ich unwillkürlich.
    Beide sahen mich an.
     
    Es kam daher, weil ich in der halben Stunde, bevor Lourens um Kaffee gebeten hatte, an Emma gedacht hatte.
    »Ein Schwarzer Schwan ist eine Ausnahme, ein unerwartetes Phänomen, das alles verändert«, erklärte ich und versuchte, mich daran zu erinnern, was Emma mir sechzehn Stunden zuvor in der Rooi Granaat erzählt hatte. Sie hatte das ganze Wochenende in dem Buch gelesen und zwischendurch kurze Bemerkungen wie »unglaublich« oder »wie interessant!« hervorgestoßen, bis ich sie gefragt hatte, wovon ihre Lektüre handelte.
    Lourens und Floh warteten darauf, dass ich es ihnen näher erklärte.
    »Vor der Entdeckung Australiens glaubten die Europäer zu wissen, dass Schwäne grundsätzlich weiß seien. Denn so funktioniert unser Denken: Wir lernen durch Beobachtung und führen Deduktionen anhand von Wahrscheinlichkeiten durch. Die Ergebnisse halten wir für die einzig gültige Wahrheit. Wenn jahrhundertelang nur weiße Schwäne gesichtet werden, scheint es gesichert, dass es nur weiße Schwäne gibt. Bis in Australien schwarze Schwäne entdeckt wurden.«
    »Und was hat das mit Diederik Brand zu tun?«
    Eine berechtigte Frage, obwohl mich

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