Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Blut und Flüssigkeit, und die Flosse glitt heraus und hinter ihr der restliche Körper. Molly schreckte zurück und schrie gellend auf. Das war kein Baby.
    Aber es war lebendig und bewegte sich. Die beiden Flossen vollführten agonale Zuckungen. Andere Glieder hatte der Körper nicht, nur diese beiden pinkfarbenen Stummel. Sie ragten aus einer rohen Fleischmasse, die an einer Nabelschnur hing.
    Da waren einige Büschel Haare, dicht und schwarz, ein vorstehender Zahn und ein Auge. Es hatte kein Lid und blinzelte nicht. Blau war es. Die Flossen zappelten los, und die ganze Kreatur fing an, sich fast zielbewußt vorwärts zu bewegen wie eine Amöbe, die durch einen See von Blut schwamm.
    Auf Händen und Füßen kroch Molly schluchzend so weit weg, wie sie konnte, drückte sich in eine Ecke und sah ungläubig zu, wie dieses Lebewesen um sein Leben kämpfte. Die Paddelarme ruckten und zuckten wie in einem unberechenbaren Anfall.
    Der Körper glitt nicht mehr weiter über den Boden und zitterte nur noch. Dann bewegten sich auch die Flossen nicht mehr, der Körper hörte auf zu zucken, und nur das Auge stand noch offen und starrte sie an.
    Erneut ein Blutsturz, und die Plazenta kam heraus.
    Molly preßte die Stirn gegen die Knie und rollte sich zusammen.
    Wie aus weiter Ferne hörte sie das Heulen der Sirene. Einen Augenblick später schlug jemand gegen die Tür.
    »Sanitäter! Hallo? Hat hier jemand die Ambulanz gerufen?«
    »Helfen Sie ihr«, flüsterte Molly. Dann schluchzte sie lauter: »Helfen Sie ihr!«
    Die Tür ging auf, und zwei uniformierte Männer platzten in die Wohnung. Sie starrten auf Annies Körper, und dann folgten ihre Blick der schimmernden Blutspur, die zwischen ihren Schenkeln herausführte.
    »Heilige Scheiße«, sagte einer. »Was, zum Teufel, ist denn das für ein Ding?«
    Der andere Mann kniete neben Annie nieder. »Kein Atem. Notfallkoffer …«
    Zischend fuhr Luft durch die Atemmaske in Annies Lungen.
    »Kein Puls. Ich habe keinen Puls.«
    »Okay, los! Und … eins … und … zwei …«
    Molly sah ihnen zu, aber alles erschien ihr unwirklich. Es war Kino, Fernsehen. Das war nicht Annie, sondern eine Schauspielerin, die eine Tote spielte. Die Nadel fuhr nicht wirklich in ihren Arm. Das da am Boden war kein Blut, sondern Ketchup.
    Und das Ding – das Ding, das da einen Meter weiter lag …
    »Noch immer kein Puls …«
    »Nullinien-EKG.«
    »Pupillen?«
    »Keine Reflexe.«
    »Mist, mach weiter.«
    Ein Funkgerät knackte. »City Hospital.«
    »Hier Einsatzwagen neunzehn«, sagte der Sanitäter. »Wir haben eine Frau, weiß, zwanzig bis dreißig, sieht nach massiver Vaginalblutung aus – möglicherweise versuchte Abtreibung. Blut sieht frisch aus. Keine Atmung, kein Puls, Pupillen lichtstarr und mittelweit, Blick fixiert. I.v.-Kanüle gelegt, Ringer-Lösung. EKG bleibt flach. Wir beatmen sie jetzt. Sollen wir reanimieren?«
    »Noch nicht.«
    »Aber die Herztätigkeit ist schwach.«
    »Stabilisieren und transportieren.«
    Der Sanitäter schaltete das Funkgerät aus und sah seinen Partner an. »
Was
denn stabilisieren?«
    »Intubieren wir sie, und dann raus mit ihr.«
    »Und was ist mit dem … Ding da?«
    »Himmel, das fasse ich nicht an.«
    Molly sah weiter dem TV-Spektakel mit dem Ketchupblut zu.
    Sie sah den Schlauch im Hals der Schauspielerin ver-schwinden und die Sani-Komparsen sie auf eine Rollbahre legen und weiter manuelle Rumpfbeatmung ausführen.
    Einer sah Molly an. »Wir bringen sie ins City Hospital«, sagte er. »Wie heißt die Patientin?«
    »Bitte?«
    »Ihr Name!«
    »Annie. Ihren Nachnamen kenne ich nicht.«
    »Hören Sie! Verlassen Sie die Wohnung nicht. Verstanden? Sie müssen hierbleiben.«
    »Warum?«
    »Die Polizei kommt noch und wird mit Ihnen reden. Gehen Sie nicht weg.«
    »Und Annie- was wird mit Annie?«
    »Wenden Sie sich später ans City Hospital. Wir bringen sie dorthin.«
    Molly lauschte hinter ihnen her, wie sie die Bahre die Treppe hinuntertrugen. Unten im Flur wurde sie dann zur Haustür gerollt, und beim Wegfahren heulte noch einmal die Sirene los.
    Die Polizei kommt noch und wird mit Ihnen reden.
    Die Worte bohrten sich in ihr Hirn. Nein, mit der Polizei wollte sie nicht reden. Sie würden sie nach ihrem Namen fragen und dann herausbekommen, daß sie letztes Jahr einmal festgenommen wurde, weil sie einem Polizisten ein eindeutiges Angebot gemacht hatte. Romy hatte Kaution für sie gestellt und ihr eine gehörige Tracht Prügel dafür versetzt, daß sie so blöd

Weitere Kostenlose Bücher