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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Roy.«
    »Es könnte sein, daß man ihr strafbare Handlungen vorwirft. Alpren sagt, es sieht nach Mißhandlung einer älteren Person aus. Die Pflegerin beschuldigt Dr. Harper. Dr. Harper beschuldigt die Pflegerin.«
    Dvorak beugte den Kopf wieder über das Mikroskop. »Die Mutter hatte eine Gehirnblutung. Das muß nicht notwendig Folge einer Mißhandlung sein. Beide sind deswegen noch lange keine Prügelmonster.«
    »Aber sie hat blaue Flecke an den Beinen.«
    »Ältere Menschen holen sich die manchmal selber. Sie sehen nicht mehr so gut, stoßen sich am Kaffeetisch oder so.«
    Sheehan gab einen Grunzer von sich. »Sie verteidigen sie wirklich, so gut es geht.«
    »Solange es Zweifel gibt, muß man auch das sehen, was
für
den Angeklagten spricht.«
    »Aber was diese sogenannte Epidemie angeht, liegt sie doch falsch, nicht?«
    Dvorak seufzte. »Ja, da liegt sie falsch. Die Creutzfeldt-Jakobsche Krankheit kriegt man nicht wie einen Schnupfen. Sie wird nur auf bestimmte Art übertragen.«
    »Zum Beispiel durch Verzehr von Rindfleisch, das von einem Tier mit Rinderwahnsinn stammt.«
    »In den Vereinigten Staaten ist Rinderwahnsinn nirgends nachgewiesen.«
    »Aber die
menschliche
Variante ist hier auch schon aufgetreten.«
    »Creutzfeldt-Jakob kommt bei einem unter einer Million Menschen vor. Und eine offensichtliche Ansteckung ist da nicht nachweisbar.«
    Beide Männer schauten auf, als das Objekt der Sheehanschen Begierde ins Labor kam, ihnen ein schnelles Lächeln schenkte und sich über einen kleinen Kühlschrank mit eingelagerten Proben beugte. Sheehan starrte wie gelähmt auf dieses knackig präsentierte Hinterteil. Erst als Lisa sich aufrichtete und ging, schien Sheehan wieder Luft zu bekommen.
    »Ist das Natur?« murmelte er.
    »Natur? Was?«
    »Ihr Haar. Ist sie echt blond?«
    »Das weiß ich nun wirklich nicht«, seufzte Dvorak und konzentrierte sich wieder auf seine Untersuchung.
    »Es gibt eine Methode, das herauszufinden, wissen Sie?« sagte Sheehan.
    »Sie einfach fragen?«
    »Sich die Haare ansehen, die sonst niemand sieht.«
    Dvorak lehnte sich zurück und rieb mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. »Haben Sie sonst noch Fragen an mich, Roy?«
    »O ja. Ich habe schon von Viren gehört und von Bakterien. Aber was, zum Teufel, ist ein Prion?«
    Resigniert schaltete Dvorak die Mikroskoplampe aus. »Ein Prion«, sagte er, »ist nicht das, was wir normalerweise ein Lebewesen nennen. Es hat, anders als das Virus, keine DNA oder RNA. Mit anderen Worten, ihm fehlt das genetische Material. Es ist ein proteinartiges infektiöses Partikel, das die Proteine seines Wirts in anomale verwandeln kann.«
    »Aber man kann davon nicht befallen werden wie von einer Grippe?«
    »Nein. Ein Prion muß durch Gewebe direkt übertragen werden. Zum Beispiel via Gehirn durch Rückenmarks-implantate. Oder durch Extraktionen aus neuralem Gewebe, zum Beispiel zur Gewinnung von Wachstums-hormonen. Man kann sie sich etwa auch durch kontaminierte Gehirnelektroden holen.«
    »Und diese Engländer haben sie sich durch ihr Rindfleisch geholt.«
    »Okay, es ist auch möglich, sie durch Verzehr von infiziertem Fleisch zu bekommen. Kannibalen holen sie sich so.«
    Sheehans Augenbrauen zuckten nach oben. »Jetzt wird es aber interessant. Was meinen Sie mit Kannibalen?«
    »Roy, das ist völlig irrelevant …«
    »Nein, ich möchte es hören. Was ist mit den Kannibalen?«
    Dvorak seufzte. »In Neuguinea gab es Dörfer, in denen das Verzehren von Menschenfleisch zum religiösen Ritual gehört. Die einzigen, die danach von Creutzfeldt-Jakob befallen wurden, waren allerdings nur Frauen und Kinder.«
    »Wieso nur Frauen und Kinder?«
    »Die Männer bekamen die besten Stücke. Das Muskelfleisch. Die Frauen mußten sich mit den Teilen zufriedengeben, die sonst keiner wollte. Darunter war auch das Gehirn.« Er wartete darauf, daß Sheehan jetzt angeekelt das Gesicht verzog, aber der Cop beugte sich nur noch neugieriger vor. Irgendwie wirkte er selber wie ein Kannibale, der noch die übelsten Informations-häppchen begierig hinunterschlang.
    »Das heißt also, wenn man menschliches Gehirn ißt, kann es einen erwischen«, sagte Sheehan.
    »Ein infiziertes menschliches Gehirn.«
    »Können Sie sagen, ob es infiziert ist, wenn Sie es sich einfach so ansehen?«
    »Nein, die Diagnose ist nur unter dem Mikroskop möglich. Und wir reden hier nur dummes Zeug.«
    »Wir leben in einer großen Stadt, Doc. Da passieren noch schlimmere Dinge. Wir kriegen

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