Roter Engel
Meldungen über Vampire herein, über Werwölfe …«
Ȇber Leute, die
glauben,
Sie seien Werwölfe.«
»Wer weiß? Dieser ganze verrückte Kultmist, der läuft hier und jetzt bei uns ab.«
»Ich kann mir aber kaum vorstellen, daß in Brant Hill irgendein Kannibalenkult vollzogen wird.«
Sheehan sah auf seinen Gürtel. Der Piepser zeigte etwas an. »Entschuldigen Sie«, sagte er und ging hinaus zum Telefonieren.
Jetzt kann ich endlich wieder an meine Arbeit gehen,
dachte Dvorak.
Aber schon einen Augenblick später war Sheehan wieder da. »Ich muß ins North End. Vielleicht sollten Sie sich das auch mit ansehen.«
»Worum geht es? Mord?«
»Sie sind sich nicht sicher.« Sheehan machte eine dramatische Pause. »Sie sind nicht mal sicher, ob es sich um ein menschliches Wesen handelt.«
16
Der widerlich-metallische Geruch von Blut war sogar bis in den Hausflur gedrungen. Dvorak nickte dem Streifenpolizisten zu, der Wache stand, duckte sich unter dem Absperrband durch und betrat die Wohnung. Sheehan und sein Partner Jack Moore waren schon drinnen und mit ihnen die Spurensicherung. Moore hockte neben etwas in der Ecke. Dvorak ging nicht direkt zu ihm, sondern blieb bei der Tür stehen und sah sich genau den Fußboden an.
Es war ein weißgelber Linoleumboden mit einem unregelmäßigen Muster von Quadraten, und vor dem Bett lag ein verschlissener Läufer. Zum Badezimmer war der Boden von nun langsam trockendem Blut verschmiert – viel Blut. Man sah auch eine Schmierspur, als wäre etwas über den Boden gezogen worden, außerdem eine ganze Ansammlung von blutigen Schuhabdrücken. Daneben auch deutlich die Abdrücke von nackten Füßen, kleinen Füßen, die zum Schrank führten und dann verschwanden.
An den Wänden fand er keine Blutspritzer, jedenfalls nicht wie von einer arteriellen Verletzung. Man sah überhaupt nur wenige winzige Spritzer, dafür aber diese große gerinnende Lache am Boden. Wer hier geblutet hatte, der hatte es im Liegen getan, ganz ruhig, nicht in wilder Panik.
»Doc«, sagte Moore. »Sehen Sie sich das mal an.«
»Diese Fußabdrücke haben sie bereits aufgenommen?«
»Ja, die stammen von den Sanitätern. Alles fotografiert und auf Video. Gehen Sie da herum. Passen Sie auf die Abdrücke da auf.«
Dvorak ging vorsichtig um die Abdrücke der nackten Füße herum und wandte sich dorthin, wo Moore und Sheehan hockten.
»Was halten Sie davon?« sagte Moore und rückte zur Seite, um Dvorak den Blick auf das freizugeben, was da am Boden lag.
»
Mein Gott!
«
»Das haben wir auch gesagt. Also, was kann
das
sein?«
Dvorak wußte nicht, was er sagen sollte. Langsam ging er tiefer in die Hocke und sah genauer hin.
Sein erster Eindruck war, daß es sich um einen übriggebliebenen Halloween-Gag handeln mußte, ein einäugiges, fleischfarbenes Monster, ein aus Gummi gefertigtes Gespenst. Dann sah er die trocknenden Blutspuren auf dem Körper und den Rest der daran hängenden Plazenta, beides verbunden mit einer Nabelschnur. Das
Ding
hier war nicht aus Gummi, sondern echtes Fleisch. Er zog Handschuhe an und berührte behutsam die Oberfläche des
Dings.
Es fühlte sich wie echte Haut an – kalt, aber weich. Das einzelne Auge war blaßblau mit einem rudimentären Stückchen Haut anstelle eines Lids, nichts, womit man das Auge hätte schließen können. Darunter waren zwei Löcher, wie Nüstern, und dann kam eine offene Spalte. Der Mund? An diesem Klumpen Fleisch konnte er tatsächlich kaum etwas normal Anatomisches entdecken. Haarbüschel sprossen wirr aus der Kopfhaut. Und – mein Gott – war das ein Zahn, was da herausragte?
Er erinnerte sich an einen Tumor, den man einmal aus dem Bauch einer Frau entfernt hatte. Ein Teratom. Ein Ovum hatte verrückt gespielt und sich zu einem Karzinom entwickelt mit wild differenzierenden Zellen. Der Tumor, nichts als ein mit Haut umgebener Ball, hatte Zähne und Haarbüschel aufgewiesen. Das hier sah so aus wie jener Tumor. Außer, daß dieses
Ding
weiter ausgeprägt war. Es hatte Paddelarme und Andeutungen von einem Gesicht.
Plötzlich fiel sein Blick wieder auf das trockene Blut am Boden, auf die unregelmäßige Schmierspur, die sich von der größeren Lache entfernte, und die gespannte Nabelschnur. Als ihm bewußt wurde, was er da sah, zuckte seine Hand vor Schreck zurück.
»Verdammt«, sagte er. »Es hat sich
bewegt.
«
»Davon habe ich nichts gesehen«, sagte Moore.
»Nicht jetzt.
Vorher.
Es hat das da hinterlassen.« Er zeigte auf die blutige
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