Roter Engel
Gebärmutterhals eingeführt, um ihn zu erweitern, und dann ein Tampon oder ähnliches hinterhergeschoben, um den Katheter zu fixieren. Aber hier ist nichts dergleichen.«
»Könnte es nicht wieder mit herausgekommen sein? Und dann im Klo gelandet sein?«
»Möglich ist das schon. Aber ich glaube nicht, daß es so abgelaufen ist.« Er steckte eine Sonde in einen Klumpen blutigen Gewebes. »Das hier ist ein Stück von der Plazenta, das sich nicht ganz vom Uterus gelöst hat. Die sogenannte ›Placenta accreta‹. Dadurch ist es zu der Blutung gekommen.«
»Kommt so etwas nicht oft vor?«
»Hin und wieder. Was hier besonders lebensbedrohlich wurde, war der Umstand, daß die Plazenta sich im Gebärmuttergrund eingenistet hat. So etwas kann den vorzeitigen Geburtsvorgang einleiten. Und zu einer massiven Blutung führen.«
»Dann war es also eine natürliche Todesursache.«
»Kann man so sagen.« Dvorak richtete sich auf. »Wahrscheinlich hatte sie Schmerzen, ging ins Badezimmer und nahm an, es sei die Verdauung. Setzte sich auf die Toilette, blutete, ihr wurde schwindelig, und sie kippte um. Gott weiß, wie lange sie am Boden gelegen hat, bevor jemand sie dort fand.«
»Das macht uns die Sache leichter«, sagte Sheehan dank-bar und trat vom Schneidebrett zurück. »Kein Mordfall.«
»Aber ich muß doch noch mit der anderen Frau aus der Wohnung reden. Etwas wie diese fetalen Mißbildungen habe ich noch nie gesehen. Mir gefällt die Vorstellung absolut nicht, daß da draußen auf der Straße eine Droge gehandelt wird, die zu einer neuen Art von Teragonie führt.«
»Unter dem Namen Molly Picker haben wir eine Eintragung gefunden«, sagte Sheehan. »Wurde voriges Jahr wegen Anbietung zur Prostitution gegenüber einem Polizisten verhaftet. Freigekommen auf Kaution, die einer für sie bezahlt hat, den wir für ihren Zuhälter halten. Wir werden uns mit ihm unterhalten – vielleicht kann er uns sagen, wo wir sie finden.«
»Sie jagen ihr keine Angst ein, ja? Ich brauche etwas zur Vorgeschichte der Toten.«
»Wenn wir ihr nicht ein bißchen angst machen«, sagte Sheehan, »sagt sie uns am Ende überhaupt nichts.«
Romy hatte einen miesen Tag hinter sich, und jetzt wurde es auch noch ein mieser Abend. Er ging an der Ecke Montgomery und Canton auf und ab und versuchte, sich warm zu halten.
Hätte eine Jacke anziehen sollen, bevor er nach draußen ging, dachte er, aber die Sonne war noch nicht ganz weg gewesen, als er die Wohnung verlassen hatte, und er hatte nicht mit diesem Wind gerechnet, der durch die Straßen pfiff. Und auch nicht damit, daß er so lange würde warten müssen.
Scheiße. Wenn sie mit ihm reden wollten, dann könnten sie sich mit ihm auch auf
seinem
Territorium verabreden.
Er ließ die Straßenecke hinter sich und marschierte mit hochgezogenen Schultern los. Die Hände stopfte er in die Hosentaschen seiner Jeans, um sie warm zu halten. Einen halben Block weiter bemerkte er einen Wagen, der neben ihm herfuhr.
»Mr. Bell?« sagte ein Mann durch den Schlitz einer getönten Seitenscheibe.
Romy sah mit finsterem Gesicht zu dem Auto hinüber. »Sie sind spät dran, Mann.«
»Ich wäre früher dagewesen, wenn weniger Verkehr …«
»Ja, klar. Also, ihr könnt mich mal.« Er wandte sich ab und ging weiter.
»Mr. Bell, wir müssen uns über dieses kleine Problem unterhalten.«
»Ich habe dazu nichts zu sagen.«
»Es ist nur in Ihrem Interesse, wenn Sie jetzt einsteigen. Falls Sie mit uns im Geschäft bleiben wollen.« Der Mann machte eine Pause. »Und wenn Sie Ihr Geld bekommen wollen.«
Romy blieb stehen und sah die Straße hinunter. Der Wind blies ihm ins Gesicht und fuhr ihm kalt durch sein Seidenhemd.
»Hier drinnen ist es warm, Mr. Bell. Ich fahre Sie dann später auch wieder heim.«
»Ach, scheiß drauf«, grummelte Romy und stieg hinten ein, lehnte sich zurück und kümmerte sich weniger um den Mann am Steuer als um die luxuriöse Innenausstattung des Wagens.
Da vorn saß wieder nur der Kerl mit den weißblonden Haaren, der Kerl, der sich nie nach Romy umsah.
»Sie müssen das Mädchen finden.«
Romy grunzte ärgerlich. »Ich muß überhaupt nichts, bevor ihr mich nicht bezahlt habt.«
»Sie haben sie uns schon vor zwei Wochen versprochen.«
»Ja, wissen Sie, sie ist nicht gerade die kooperativste von meinen Pferdchen. Ich besorge Ihnen ein paar andere.«
»Heute morgen wurde Annie Parini tot aufgefunden. Wußten Sie das?«
Romy starrte ihn an. »Wer hat sie
Weitere Kostenlose Bücher