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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Tumor.«
    »Also ein fehlentwickelter Fötus?« fragte Toby.
    »Nein.«
    »Aber was
dann?
«
    »Etwas dazwischen.«
    »Ein Tumor
und
ein Fötus? Wie ist so etwas möglich?«
    Dr. Marx zog an ihrer Zigarette und blies eine Rauchwolke in die Luft. »Ein Produkt der ›schönen, neuen Welt‹.«
    »Das einzige, was wir haben, ist ein Sonogramm. Eine Ansammlung von grauen Schatten. Dr. Sibley, der Radiologe, hält es für einen Tumor.«
    »Dr. Sibley hat aber nie zuvor so etwas gesehen.«
    »Sie schon?«
    »Fragen Sie Daniel.«
    Toby sah Dvorak an. »Wovon redet sie?«
    »Von dem Fötus der Frau, die bei der Geburt gestorben ist, Annie Parini«, sagte Dvorak. »Ich habe es zur genetischen Analyse an Dr. Marx weitergeleitet.«
    »Aber ich habe erst einige vorläufige Ergebnisse«, sagte Dr. Marx. »Wir haben Gewebeproben untersucht und den Farbtest gemacht. Bis zur kompletten DNA-Analyse brauchen wir Monate. Aber die pure histologische Untersuchung dieses …
Dings
erlaubt mir schon, einige Theorien aufzustellen.«
    Dr. Marx drehte sich wieder auf ihrem Stuhl und sah Toby an. »Setzen Sie sich, Dr. Harper. Und reden wir über Fruchtfliegen.«
    Was, um alles in der Welt, hat denn das nun zu bedeuten?
dachte Toby und sank auf einen Stuhl am Konferenztisch. Auch Dvorak setzte sich. An der Kopf-seite nahm Dr. Marx Platz und sah die beiden mit dem ernsten Blick des Profis an, der zwei fortgeschrittenen Studenten etwas zu erklären hat. »Haben Sie von den Studien an der Universität Basel mit der Drosophila Melanogaster gehört? Der gemeinen Fruchtfliege?«
    »Was sind das für Forschungsergebnisse?« fragte Toby.
    »Es geht dabei um ektopische Augen. Wissenschaftler konnten inzwischen ein Strukturgen bestimmen, das die ganze Kaskade von 2500 Genen aktiviert, die benötigt wird, um das Auge einer Fruchtfliege zu bilden. Das Gen heißt ›Eyeless‹, denn wenn es fehlt, schlüpft die Fliege ohne Augen. Den Schweizer Forschern ist es gelungen, das ›Eyeless‹-Gen an verschiedenen Stellen des Fliegen-embryos zu aktivieren. Mit faszinierenden Ergebnissen. Augen bildeten sich an den verrücktesten Stellen. Auf den Flügeln, an Gelenken, an den Fühlern.
Einer
Fliege sind vierzehn Augen gewachsen! Und das bei Aktivierung nur eines
einzigen Gens.
« Dr. Marx hielt inne und drückte ihre Zigarette aus. Sie steckte gleich eine neue in die Spitze.
    »Ich sehe noch keinen Zusammenhang zwischen den Fruchtfliegen und unserem gegenwärtigen Problem«, sagte Toby.
    »Darauf komme ich jetzt«, sagte Dr. Marx, zündete die Zigarette an, inhalierte und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück. »Wechseln wir mal zu einer anderen Spezies über. Zu den Mäusen.«
    »Ich sehe noch immer nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich versuche, ganz unten anzufangen. Sie und Daniel sind keine Entwicklungsbiologen. Wahrscheinlich haben Sie gar nicht mitbekommen, was es da seit Abschluß Ihres Medizinstudiums für Fortschritte gegeben hat.«
    »Das ist wohl wahr«, gestand Toby zu. »Es ist schon schwer genug, im Bereich der klinischen Medizin mitzuhalten.«
    »Darum bringe ich Sie mal auf den neuesten Stand. Ganz kurz.«
    Dr. Marx klopfte die Asche von ihrer Zigarette. »Ich erwähnte die Mäuse und denke vor allem an deren Hypophyse. Nun ist bei einer neugeborenen Maus die Hypophyse entscheidend für das Überleben. Darum könnte man sie auch eine ›Masterdrüse‹ nennen, jedenfalls eine ›übergeordnete‹. Alle von ihr produzierten Hormone regulieren die verschiedensten Funktionen vom Wachstum über die Reproduktion bis zur Körpertemperatur. Und sie gibt Hormone ab, deren Zweck wir noch gar nicht kennen. Hormone, die wir noch nicht einmal präzise bestimmt haben. Ohne Hypophyse geborene Mäuse sterben binnen vierundzwanzig Stunden – man sieht also, was für eine vitale Funktion diese Drüse hat.«
    Dr. Marx holte Luft, zog an ihrer Zigarette und fuhr fort: »Und jetzt sind wir bei der weiterführenden Forschung. Bei den National Institutes of Health. Sie setzt bei der Entwicklung der embryonalen Hypophyse an. Man weiß, daß all die unterschiedlichen Zellen, die die Hypophyse bilden, aus einer einzigen Anlage hervorgehen. Vorläufer-zellen. Aber was bringt diese Vorläuferzellen dazu, dann eine Hypophyse zu
bilden?
« Sie sah von einem zum anderen ihrer lernbegierigen Zuhörer.
    »Ein Gen?« wagte Toby die Antwort.
    »Klar. Alles geht auf die DNA zurück. Das Leben bildet einen Block.«
    »Was für ein Gen?« fragte Dvorak.
    »In der

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