Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Erste-Hilfe-Koffer zu schaffen, und der Geruch von Alkohol und Jod stieg ihr in die Nase. Er bückte sich, tränkte ein Wattebällchen mit Jod und tupfte vorsichtig die Schürfwunde ab.
    Sie gab einen Schmerzlaut von sich. »Sorry«, sagte er und sah sie an. »Es geht nicht anders, ich muß Ihnen weh tun.«
    »Ich bin ja so ein Jammerlappen«, murmelte sie und klammerte sich an der Schreibtischkante fest. »Machen Sie einfach weiter.«
    Er tupfte weiter ihre Knie ab. Die eine Hand ruhte auf ihrem Schenkel, die andere säuberte die Wunden vorsichtig von Schmutz und Splitt. Sie sah währenddessen seinen Kopf vor sich, konzentriert über sie gebeugt, und die dunklen Haare waren nahe genug, um sie mit der Hand zu kraulen. Sein Atem fuhr warm über ihre Haut.
Zumindest habe ich ihn jetzt ganz für mich,
dachte sie.
Keine Krisensituationen, keine Ablenkungen. Vielleicht ist das meine einzige Chance, daß er mir zuhört. Zuhören muß. Glauben muß.
    »Sie glauben, ich habe meiner Mutter weh getan, nicht?« sagte sie. »Aus dem Grund wollen Sie nicht mit mir reden. Nehmen meine Anrufe nicht an.«
    Er sagte nichts und griff nur nach einem neuen Wattebausch.
    »Das ist das Letzte, Dan. Man benutzt meine Mutter, um mich fertigzumachen. Und Sie unterstützen das noch, ohne sich auch nur anzuhören, was ich dazu zu sagen habe.«
    »Ich habe Ihnen zugehört, Toby.« Die Abschürfungen waren jetzt gereinigt, und er verband ihre Knie.
    »Warum wollen Sie mir dann nicht sagen, ob Sie mir glauben?«
    »Ich meine, Sie sollten mit Ihrem Anwalt reden«, sagte er. »Legen Sie ihm alles auf den Tisch, alles, was Sie wissen. Lassen Sie ihn mit Alpren reden.«
    »Ich habe kein Vertrauen zu Alpren.«
    »Und Sie glauben, mir können Sie trauen?« Er sah zu ihr auf.
    »Ich weiß es nicht!« Sie atmete tief durch, der Versuch war hoffnungslos, Schutz von ihm zu erwarten. »Ich habe heute nachmittag mit Alpren gesprochen«, sagte sie. »Ich habe ihm gesagt, was ich jetzt auch Ihnen gesagt habe. Brant Hill will mich fertigmachen. Sie wollen mich ruinieren.«
    »Was stört sie denn?«
    »Ich habe ihnen angst gemacht. Ich habe etwas getan, etwas gesagt, was schlimme Befürchtungen bei ihnen ausgelöst hat.«
    »Sie sollten aufhören, Brant Hill für alle Ihre Probleme verantwortlich zu machen.«
    »Aber jetzt habe ich den Beweis.«
    Er schüttelte den Kopf. »Toby, ich
möchte
Ihnen glauben. Aber ich sehe nicht, was die Verletzungen Ihrer Mutter mit Brant Hill zu tun haben könnten.«
    »
Hören Sie zu
. Bitte.«
    Er ließ den Erste-Hilfe-Koffer zuschnappen. »In Ordnung. In Ordnung, ich höre zu.«
    »Die Frau, die ich für die Betreuung meiner Mutter engagiert habe, ist nicht die, die sie zu sein vorgibt. Gerade heute habe ich mit einer Frau gesprochen, die zwei Jahre lang mit Jane Nolan zusammengearbeitet hat – der
echten
Jane Nolan.«
    »Im Gegensatz zu?«
    »Zu der falschen. Der, die ich angestellt habe. Es sind zwei völlig verschiedene Menschen.«
    Er schwieg, verschloß sich, fixierte stur seinen Erste-Hilfe-Koffer.
    »Ich habe ein Foto von ihr gesehen, Dan. Die echte Jane hatte mindestes hundert Pfund Übergewicht. Das ist nicht die Frau, die ich bei mir beschäftigt habe.«
    »Dann hat sie inzwischen abgenommen. Ist das nicht möglich?«
    »Es kommt noch mehr. Vor zwei Jahren hat die echte Jane in einem Pflegeheim gearbeitet, das von der Orcutt-Health-Kette betrieben wird. Ich konnte inzwischen erfahren, daß Orcutt von einem Konzern kontrolliert wird –
Brant Hill.
Wenn Jane so gesehen also Brant-Hill-Angestellte war, dann hatten sie auch ihre Personalunter-lagen. Sie wußten, daß sie aus Massachusetts weggezogen war. Da war es leicht, mir eine andere Frau unter Janes Namen ins Haus zu schicken. Mit Janes Zeugnissen. Hätte ich das Foto nicht gesehen, hätte ich mir
nie
die wahren Zusammenhänge auch nur vorstellen können.«
    Er schwieg, aber ihre Blicke trafen sich.
Wenigstens hört er mir jetzt zu. Wenigstens denkt er über meine Sicht der Dinge nach.
    »Haben Sie das alles auch Alpren erzählt?« fragte er.
    »Ja. Ich habe ihm gesagt, er muß nur noch mit der
echten
Jane Nolan reden. Das Problem ist allerdings, keiner weiß, wo sie wohnt oder wie sie jetzt nach ihrer Heirat heißt. Ich habe versucht, ihre Spur zu verfolgen, aber ich konnte nicht einmal herausfinden, ob sie überhaupt noch in diesem Land lebt. Offensichtlich hat Brant Hill sich eine ausgesucht, von der sie wußten, daß man sie schwer findet. Wenn sie überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher