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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Toby.
    »Es ist ein Klumpen Gewebe. Primitive Keimzellen, die außer Kontrolle geraten sind und die Zähne, vielleicht ein paar Haare, gebildet haben. Es hat weder Herz noch Lunge.«
    »Aber man sieht eine Plazenta.«
    »Ja. Der Körper der Patientin
denkt,
er ist schwanger. Er ernährt diesen Tumor und hilft ihm wachsen. Ich nehme an, es handelt sich um eine Art Teratom. Man weiß, daß diese Tumore die bizzarsten Formen annehmen und alles mögliche hervorbringen, von Zähnen bis zu hormonbildenden Drüsen.«
    »Es handelt sich also um keine kongenitalen Mißbildungen.«
    »Nein. Es ist desorganisiertes Gewebe. Ein Fleischkloß. Es sollte so bald wie möglich entfernt werden …« Sibley fuhr plötzlich mit einem Ruck zurück und richtete den Blick scharf auf den Bildschirm. »Noch mal zurück! Los!« bellte er den Assistenten an.
    »Was haben Sie gesehen?«
    »Lassen Sie schon zurücklaufen!«
    Für einen Moment war der Bildschirm leer, dann kamen noch einmal die Bilder.
    »Das ist unmöglich«, sagte Sibley.
    »Was?«
    »Es hat sich
bewegt.
« Er sah den Assistenten an. »Haben Sie etwas an ihrem Bauch gemacht.«
    »Nein.«
    »Aber sehen Sie sich das an. Das Anhangsgebilde – wie es seine Position verändert. Sehen Sie?«
    »Ich habe den Bauch nicht angerührt.«
    »Dann muß die Patientin sich bewegt haben. Ein Tumor bewegt sich nicht von selbst.«
    »Das ist kein Tumor«, sagte Dvorak.
    Alle sahen sich nach ihm um. Er war so leise gewesen, daß Toby ihn nicht hereinkommen gehört hatte. Er stand jetzt hinter ihr.
    Langsam ging er vor zum Monitor und sah dabei auf das Standbild. »Es bewegt sich. Es hat Arme. Es hat ein Auge. Es hat Zähne. Vielleicht kann es sogar denken …«
    Sibley schnaufte. »Das ist lächerlich. Woher wollen Sie das denn wissen?«
    »Weil ich genauso etwas schon mal gesehen habe.« Dvorak drehte sich zu ihnen um und sah sie verblüfft an. »Ich muß telefonieren.«
    Toby sah in Mollys dunklem Zimmer das rote Licht der I.v.-Versorgung blinken, an und aus, an und aus. Die intravenöse Medikation klappte also vorzüglich. Toby ließ die Schwingtür zufallen, setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und hörte auf den Atem des Mädchens. Das rote Licht blinkte in einem einschläfernden Rhythmus. Toby gönnte sich ein wenig Entspannung und ließ zum erstenmal an diesem Tag ihren Gedanken freien Lauf. Gerade hatte sie im Springer Hospital angerufen und sich nach dem Zustand ihrer Mutter erkundigt. Man hatte ihr versichert, daß es keine Änderungen gegeben habe.
In diesem Augenblick liegt auch meine Mutter in einem anderen Bett,
dachte sie,
in einem anderen Krankenhaus, und auch bei ihr blinkt das rote I.v. -Lämpchen in der Dunkelheit, genau wie bei dem Mädchen hier.
    Toby sah auf die Uhr. Wann Dr. Dvorak wohl zurück sein würde? Vorhin hatte sie ihm von Jane Nolan erzählen wollen und hatte enttäuscht feststellen müssen, daß er ihr offensichtlich gar nicht zuhören wollte. Immer wieder hatte es zudem Gründe gegeben, ihren Gesprächsversuch zu unterbrechen – die Krise um Molly, sein Piepser, der sich meldete … Und dann war er gegangen, um sich mit jemandem am Empfang des Krankenhauses zu treffen.
    Sie lehnte sich zurück und dachte an ein Nickerchen, als Molly sich plötzlich in der Dunkelheit meldete: »Mir ist kalt.«
    Toby richtete sich auf. »Ich habe gar nicht gemerkt, daß du wach bist.«
    »Ich habe gelegen und nachgedacht …«
    »Ich suche dir eine Decke. Kann ich das Licht anmachen?«
    »Okay.«
    Toby schaltete die Nachttischlampe ein, und das Mädchen schrak vor dem plötzlichen Lichtschein zurück. Die Schwellung auf ihrer Stirn hob sich schwärzlich von dem blassen Gesicht ab. Ihr Haar lag in schmutzig wirkenden Strähnen auf dem Kopfkissen.
    In einem Schrankfach lag eine zusätzliche Decke. Sie breitete sie über das Mädchen aus. Dann knipste sie das Licht wieder aus und tappte zu ihrem Stuhl.
    »Danke«, flüsterte Molly.
    Sie teilten miteinander die Dunkelheit, keine sagte ein Wort, und das Schweigen beruhigte sie beide und tröstete sie.
    »Mein Baby ist nicht normal, nicht?«
    Toby zögerte. Sie kam zu dem Schluß, daß die Wahrheit die beste Antwort war. »Nein, Molly«, sagte sie. »Es ist nicht normal.«
    »Wie sieht es denn aus?«
    »Das kann man schwer sagen. Das Sonogramm ist kein richtiges Bild. Es ist nicht leicht zu interpretieren.«
    Molly schwieg und überlegte. Toby machte sich auf weitere Fragen gefaßt und fragte sich nur, wie anschaulich sie dabei

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