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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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bringen.«
    »Das muß ein Mißverständnis sein. Ich weiß es. Dr. Wallenberg ist noch hier im Krankenhaus. Warten Sie nur so lange, bis ich mit ihm darüber geredet habe.«
    »Mit mir reden? Worüber, Dr. Harper?«
    Toby drehte sich um. In der Tür stand Dr. Wallenberg.
    »Über eine Autopsie«, sagte sie.
    Er kam herein und ließ die Tür langsam hinter sich zufallen.
    »Waren Sie das auf meinem Piepser?«
    »Ja. Die beiden wollen die Leiche ins Bestattungsinstitut überführen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen damit warten, bis Sie eine Autopsie angeordnet haben.«
    »Für eine Autopsie besteht keine Notwendigkeit.«
    »Sie kennen den Grund nicht, warum er kollabiert ist. Sie wissen nicht, woher die Verwirrtheit kam.«
    »Am wahrscheinlichsten durch Schlaganfall.«
    »Das CT zeigt keinen Schlaganfall an.«
    »Vielleicht ist das CT zu früh gemacht worden. Und einen Infarkt im Hirnstamm kann man nicht unbedingt sichtbar machen.«
    »Sie ergehen sich in Annahmen, Dr. Wallenberg.«
    »Was soll ich denn Ihrer Meinung nach veranlassen? Ein Tomogramm des Hirns von einem toten Patienten?«
    Die Gehilfen folgten fasziniert der hitzigen Auseinandersetzung und warfen sich bezeichnende Blicke zu. Im Augenblick fixierten sie Toby und warteten auf ihre Antwort.
    »Harry Slotkin hat die gleichen Symptome gezeigt«, sagte sie.
    »Akuter Verwirrungszustand und fokal bedingte Anfälle. Beide Männer wohnten in Brant Hill. Beide waren bis dahin bei bester Gesundheit gewesen.«
    »Männer in dieser Altersgruppe sind für Schlaganfälle prädestiniert.«
    »Aber es könnte auch etwas anderes vorgefallen sein. Das kann nur eine Autopsie erweisen. Gibt es einen Grund, warum Sie dagegen wären?«
    Wallenberg lief rot an. Sein Zorn stand ihm so offen im Gesicht, daß Toby versucht war, einen Schritt zurückzuweichen. Ihre Blicke trafen sich für einen Augenblick, dann schien er sich wieder in der Gewalt zu haben.
    »Es wird keine Autopsie geben«, sagte er, »weil seine Tochter sie verweigert. Und ich respektiere ihren Wunsch.«
    »Vielleicht weiß sie nicht, wie wichtig das hier ist. Wenn ich mit ihr rede …«
    »Daran ist überhaupt nicht zu denken, Dr. Harper. Sie würden sich in ihre Privatsphäre drängen.« Er wandte sich an die Gehilfen, wieder ganz der Dominierende. »Sie können ihn jetzt hinunterschaffen.« Mit einem letzten verächtlichen Blick auf Toby verließ er das Zimmer.
    Schweigend sah Toby zu, wie die beiden die Bahre ans Bett schoben und die Bremsen feststellten.
    »Eins, zwei, los.«
    Der Körper landete auf der Bahre. Sie fixierten ihn mit einem Brustgurt. Das geschah nicht zur Sicherheit, sondern wegen des äußeren Anblicks. Bahren konnten irgendwo anstoßen, Rampen, über die sie geschoben wurden, konnten steil sein, und man wollte vermeiden, daß eine Leiche plötzlich von der Bahre auf den Boden rutschte. Also deckte man eine falsche »Matratze« über sie, befestigte sie mit Klammern, und über das ganze Gebilde stülpte man dann langes Bettuch. Käme jetzt jemand vorbei, könnte er denken, er sähe nur eine leere Bahre vor sich.
    Sie rollten die Bahre aus dem Zimmer.
    Toby blieb stehen und hörte sie quietschend davonfahren. Was würde als nächstes passieren? Unten in der Leichenhalle würde man noch einigen Papierkram erledigen – Formulare mußten ausgefüllt, Entlassungspapiere ausgestellt werden. Dann würde man den Verstorbenen in einen Leichenwagen schieben und ins Bestattungsinstitut transportieren, wo man die Körperflüssigkeit ablassen und durch Einbalsamierungsmittel ersetzen würde.
    Oder würden sie die Leiche verbrennen lassen? Sie gewaltsam auf ein Häufchen Asche und Spurenelemente reduzieren und keine weiteren Fragen und Antworten mehr zulassen? Das war jetzt ihre letzte Chance, Angus Parmenters Diagnose zu erfahren. Und auch Harry Slotkins. Sie ging ans Telefon und rief noch einmal die Tochter des Patienten an.
    Diesmal hörte sie ein leises »Hallo«.
    »Mrs. Lacy? Hier ist Dr. Harper. Wir haben uns letzte Woche in der Notaufnahme gesehen.«
    »Ja. Ich erinnere mich.«
    »Ich bin sehr betroffen wegen Ihres Vaters. Ich habe es gerade erfahren.«
    Die Frau seufzte. Es klang mehr nach Erschöpfung als nach Trauer. »Wir haben es wohl irgendwie erwartet. Und um ganz ehrlich zu sein, es bedeutet auch so etwas wie … eine Erleichterung. Das hört sich schlimm an. Aber nachdem ich ihn jetzt eine Woche lang so gesehen habe … in der Verfassung …«
    Noch einmal ein Seufzer. »Er hätte so

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