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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Kompressionen aus – pressen, loslassen, pressen. »Dr. Wallenberg ist unterwegs.«
    Wallenberg?
Toby sah sich das Gesicht des Patienten an. Sie hatte ihn wegen der Sauerstoffmaske nicht erkannt. »Ist das Mr. Parmenter?«
    »Ist ihm – in den letzten Tagen – gar nicht so gut gegangen. Heute morgen – wollte ich ihn – in die Intensivstation überstellen.«
    Toby ging herum zum Kopfende. »EKG einschalten. Wir müssen intubieren. Siebener-Tubus.«
    Die Notschwester reichte ihr das Laryngoskop und riß eine Tubusverpackung auf.
    Toby beugte sich über den Kopf des Patienten. »Okay, los geht’s.«
    Die Sauerstoffmaske wurde weggezogen. Toby kippte den Kopf des Patienten nach hinten und schob den Kehlkopfspiegel in seinen Rachen. Die Stimmbänder erkannte sie gleich, und so schob sie den Tubus vorsichtig an Ort und Stelle. Die Sauerstoffmaske kam zurück, und die Schwester fing wieder mit der Beatmung an.
    »Ich habe Herztöne«, sagte die Notschwester. »Sieht aus wie Kammerflimmern.«
    »Gehen Sie auf hundert Wattsekunden. Her mit den Platten! Bereiten Sie Lidocain vor. Hundert Milligramm.«
    Das waren zu viele Befehle auf einmal. Die Schwester schien überfordert. Unten in der Notaufnahme lief das nahezu stumm und über Augenkontakt, ohne daß der Arzt einen Ton sagen mußte. Jetzt wünschte Toby, sie hätte Maudeen mitgenommen.
    Toby setzte die Platten auf die Brust. »Zurück!« sagte sie und schaltete den Defibrillator ein.
    Hundert Joule Elektrizität fuhren in Angus Parmenters Körper.
    Alle Blicke schossen zum Monitor.
    Die Herzschlagfrequenz ging schlagartig nach oben und sank dann wieder auf den Basiswert. Ein Piepton zeigte den QRS an, das war die Erregungsausbreitung in den Herzkammern. Noch ein Piepser und noch einer.
    »
Ja!
« rief Toby. Sie tastete die Kopfschlagader. Einen Puls gab es. Er war schwach, aber eindeutig vorhanden.
    »Jemand muß die Intensivstation anrufen«, sagte Toby. »Wir brauchen ein Bett.«
    »Ich habe einen Blutdruckwert – achtundfünfzig systolisch …«
    »Können wir die Elektrolyte haben? Bitte ein Blutgasröhrchen.«
    »Hier, Doc.«
    Toby zog die Kappe von der Nadel. Sie verschwendete keine Zeit mit der Suche nach der Radialarterie am Handgelenk, sondern setzte gleich an der Oberschenkelschlagader an, stach in der Leistengegend ein und traf die Arteria femoralis präzise.
    Man sah es an dem hellroten Blut, das in die Röhre strömte.
    Drei Kubikzentimeter zog sie hoch und gab die Spritze an eine Schwester weiter.
    »Okay, okay.« Toby drückte die Einstichstelle ab, holte tief Luft und nahm sich einen kostbaren Moment Zeit, die Situation zu überdenken. Der Patient war beatmet, er hatte Puls und auch einen adäquaten Blutdruck. Sie machten alles richtig. Und jetzt konnte sie sich der Frage zuwenden: Warum war der Patient kollabiert?
    »Sie sagten, er hatte einen Anfall. Und dann war der Blutdruck weg?« fragte sie.
    »Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Anfall war«, antwortete die Schwester. »Gefunden habe ich ihn in dem Zustand auf meiner Zehn-Uhr-Runde. Sein Arm zuckte, und er war nicht ansprechbar. Wir hatten Order, in so einem Fall Valium zu spritzen, und ich machte die Spritze gerade fertig, als er aufhörte zu atmen.«
    »Valium? Hat Dr. Wallenberg das angeordnet?«
    »Bei einem Anfall.«
    »Wie viele hat er denn inzwischen bekommen?«
    »Seit seiner Einlieferung? Vielleicht sechs. Etwa eine pro Tag. Normalerweise ist der rechte Arm betroffen. Außerdem hatte er noch Gleichgewichtsstörungen.«
    Toby sah den Patienten an und runzelte die Stirn. Plötzlich sah sie wieder ganz deutlich Harry Slotkins zitterndes Bein vor sich. »Was wurde denn diagnostiziert? Weiß man es?«
    »Sie sind noch dabei. Sie haben noch einen Neurologen hinzugezogen, aber ich glaube nicht, daß er der Sache schon auf den Grund gekommen ist.«
    »Der Patient ist schon eine ganze Woche bei Ihnen, und sie haben noch keine Idee?«
    »Also,
mir
hat jedenfalls keiner etwas gesagt.« Die Schwester sah ihre Kolleginnen an, und die schüttelten auch den Kopf. Sie hörten Wallenbergs Stimme, ohne bemerkt zu haben, daß er den Raum betreten hatte. »Status?« fragte er. »Haben Sie ihn stabilisiert?«
    Toby drehte sich zu ihm um. Als sich ihre Blicke trafen, glaubte sie einen Anflug von Bestürzung in seinen Augen zu sehen. Doch genauso schnell war es wieder vorbei.
    »Er hatte Vorhofflimmern«, sagte Toby. »Vorausgegangen war ein Anfall mit Atemstillstand, und jetzt hat er

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