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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht leben wollen.«
    »Das würde niemand von uns, glauben Sie mir.« Toby zögerte und suchte die richtigen Worte. »Mrs. Lacy, ich weiß, es ist die schlechteste Zeit, gerade jetzt mit Ihnen darüber zu reden, aber ich habe keine Wahl. Dr. Wallenberg sagt, Sie wünschen keine Autopsie. Ich weiß, wie schwer es für eine Familie ist, zu so etwas die Genehmigung zu geben. Aber in diesem Fall habe ich wirklich das Gefühl, es ist lebenswichtig. Wir wissen nicht, woran Ihr Vater gestorben ist, und es könnte sich herausstellen, daß …«
    »Ich habe keine Autopsie verweigert.«
    »Aber Dr. Wallenberg sagt, Sie wären dagegen.«
    »Wir haben nie darüber gesprochen.«
    Toby schwieg.
Warum hat Dr. Wallenberg mich belogen?
»Erhalte ich dann von Ihnen die Erlaubnis für eine Autopsie?«
    Mrs. Lacy überlegte nur wenige Sekunden und sagte dann leise: »Wenn Sie es für nötig halten. Ja.«
    Toby legte auf. Sie wollte schon in der Pathologie anrufen, überlegte es sich dann aber. Selbst mit der Erlaubnis der Angehörigen würde kein Pathologe des Springer Hospitals die Leiche sezieren – nicht gegen den Willen des behandelnden Arztes.
    Warum will Wallenberg so entschieden eine Autopsie verhindern? Was fürchtet er, das man finden könnte?
Sie sah das Telefon an.
Du mußt etwas tun. Du mußt es jetzt tun.
Sie nahm den Hörer auf und wählte die Auskunft. »Eine Nummer in Boston, bitte«, sagte sie. »Das Büro des Amtlichen Leichenbeschauers.«
    Es dauerte eine Weile, bis sie die Nummer erfuhr, und noch einmal ein paar Sekunden, bis sie die richtige Verbindung hatte.
    Während sie wartete, sah sie den Weg vor sich, den Angus Parmenters Leiche jetzt nach unten in die Leichenhalle nahm. Mit dem Fahrstuhl nach unten. Durch die leise auf gleitenden Türen im Untergeschoß. Durch den Korridor mit seinen summenden Wasserrohren.
    »Büro des Leichenbeschauers. Stella am Apparat.«
    Toby wischte das Bild weg. »Hier ist Dr. Harper vom Springer Hospital in Newton. Könnte ich mit Ihrem Chef sprechen?«
    »Dr. Rowbotham ist im Urlaub, aber ich kann Sie mit seinem Stellvertreter, Dr. Dvorak, verbinden.«
    »Ja, bitte.«
    Es klickte ein paarmal in der Leitung, und dann meldete sich müde eine Stimme. »Hier Dr. Dvorak.«
    »Ich habe einen Patienten, der gerade verschieden ist«, sagte sie.
    »Ich glaube, es sollte eine Autopsie vorgenommen werden.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Er ist vor einer Woche bei uns eingeliefert worden. Ich habe ihn in der Notaufnahme in Empfang genommen …«
    »War er verletzt?«
    »Nein, er war verwirrt und desorientiert. Es gab zerebelläre Anzeichen. Heute früh hatte er einen Atemstillstand und ist gestorben.«
    »Haben Sie Verdacht auf ein Verbrechen?«
    »Nicht wirklich, aber …«
    »Dann kann doch bestimmt Ihr Pathologe am Springer die Autopsie vornehmen. Sie müssen keinen Todesfall bei uns melden, es sei denn, der Patient stirbt innerhalb vierundzwanzig Stunden nach Einlieferung.«
    »Also, mir ist klar, daß dies kein üblicher Fall für Sie von der Rechtsmedizin ist. Aber der behandelnde Arzt verweigert eine Autopsie, und das bedeutet, daß unser Pathologe sie dann auch nicht durchführt. Aus dem Grund rufe ich Sie an. Die Familie hat bereits zugestimmt.«
    Sie hörte einen tiefen Seufzer und das Rascheln von Papier. Sie konnte sich den Mann am Schreibtisch fast bildhaft vorstellen, müde und überarbeitet, umgeben von unzähligen Dingen, die ihn an den Tod erinnerten. Ein trostloser Beruf, dachte sie, und Dr. Dvorak hörte sich auch wie ein unglücklicher Mann an.
    »Dr. Harper«, sagte er, »ich weiß nicht, ob Sie sich über die Aufgabe unseres Amtes hier klar sind. Wenn kein Verdacht auf ein Verbrechen vorliegt oder ein Problem für die öffentliche Gesundheit …«
    »Das hier
könnte
die Öffentlichkeit betreffen.«
    »Und wie?«
    »Es ist der zweite Fall, auf den ich diesen Monat in meiner Notaufnahme gestoßen bin. Zwei alte Männer, beide im Zustand akuter Verwirrtheit und mit fokalbedingten Anfällen. Und was mich da so stutzig macht: Die beiden Patienten wohnten im selben Wohnkomplex für Ruheständler. Sie tranken das gleiche Wasser, aßen im selben Speiseraum. Wahrscheinlich haben sie sich gekannt.«
    Dr. Dvorak schwieg.
    »Ich weiß nicht, womit wir es hier zu tun haben«, sagte Toby.
    »Es könnte eine Meningitis sein und genausogut eine Folgeerscheinung von Pflanzenpestiziden in der Nahrung. Ich könnte nicht zulassen, daß man eine Krankheit übersähe, die verhütbar

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