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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sanfter Stimme. Er griff nach Bigelows Arm. »Es ist nur dort den Gang hinunter.«
    Bigelow sah die kräftige Hand des Arztes mit der überraschend weißen Innenfläche und der dicken schwarzen Lebenslinie darin. Er sah zu Dr. Brace auf. »Ich möchte ja nur Bescheid wissen«, sagte er leise.
    »Was wollen Sie wissen, Sir?«
    »Ob ich auch krank werde wie die anderen?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf – was keine Antwort auf die Frage war, sondern ein Ausdruck von Verwunderung. »Wieso sollten Sie krank werden?«
    »Es hieß, ein Risiko gebe es nicht. Es sei eine ganz sichere Prozedur. Aber dann ist Mackie krank geworden, und nach ihm …«
    »Mr. Mackie kenne ich nicht, Sir.«
    Bigelow sah die Frau am Empfang an. »Sie erinnern sich doch an Stan Mackie. Sagen Sie mir, daß Sie sich an Stan erinnern.«
    »Natürlich, Mr. Bigelow«, antwortete sie. »Wir waren alle so betroffen, als er starb.«
    »Und jetzt ist Phil auch tot, nicht? Ich bin als letzter übrig.«
    »Sir?« Jetzt meldete sich die andere Angestellte durch das Fenster. »Ich habe gerade Mr. Dorrs Krankenblatt durchgesehen. Er ist nicht krank.«
    »Warum ist er dann nicht zu Angus’ Beerdigungsfeier gekommen? Da hätte er doch dabeisein müssen!«
    »Mr. Dorr mußte wegen eines Notfalls in seiner Familie die Stadt verlassen. Er hat darum gebeten, daß man seine Unterlagen an seinen neuen Arzt in La Jolla weiterleitet.«
    »Wie bitte?«
    »So steht es hier.« Sie hielt das Blatt hoch. Auf der ersten Seite war ein Zettel angeheftet. »Die Vollmacht trägt das Datum von gestern. Auf dem Zettel steht: ›Der Patient zieht wegen eines Familiennotfalls weg – er kommt nicht zurück. Alle Unterlagen nach Brant Hill West in La Jolla, Kalifornien, weiterleiten.‹«
    Bigelow trat ans Fenster und starrte auf die Vollmacht und die Unterschrift:
Dr. Carl Wallenberg.
    »Sir?« Der Arzt legte Bigelow die Hand auf die Schulter. »Sicher hören Sie schon bald von Ihrem Freund. Es sieht so aus, als hätte man ihn nach Hause gerufen.«
    »Aber wie kann es sich um einen Notfall in seiner Familie handeln?« fragte Bigelow leise.
    »Vielleicht ist jemand krank geworden. Oder gestorben.«
    »Phil
hat
überhaupt keine Familie.«
    Jetzt starrte Dr. Brace ihn an und mit ihm auch die Frauen im Büro. Er sah sie hinter dem Fenster stehen wie Zoobesucher, die in einen Zwinger schauten.
    »Etwas stimmt hier nicht«, sagte Bigelow. »Sie sagen mir nicht die Wahrheit, stimmt’s?«
    »Reden wir darüber«, sagte der Arzt.
    »Ich möchte mit Dr. Wallenberg sprechen.«
    »Er ist zum Lunch. Sie können sich mit mir unterhalten, Mr …«
    »Bigelow. James Bigelow.«
    Dr. Brace öffnete die Tür zum Kliniktrakt. »Gehen wir doch in mein Büro, Mr. Bigelow. Sie können mir alles erzählen.«
    Bigelow starrte in den langen weißen Korridor, der dorthin führte. »Nein«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Nein, auf gar keinen Fall …«
    Dann verließ er fluchtartig das Haus.
    Robbie Brace klopfte an Carl Wallenbergs Tür und betrat sein Büro. Der Raum strahlte, genau wie der Mann, einen guten, aber großkotzigen Geschmack aus. Brace stand nicht auf modische Designermöbel, aber was Qualität war, wußte er schon.
    Der massive Schreibtisch war aus einem exotischen Rotholz, das er nicht kannte. Die Bilder an der Wand waren dieses abgefahrene abstrakte Zeug, für das man gewöhnlich ein Vermögen bezahlte. Durch das Fenster hinter Wallenbergs Schreibtisch sah man die Sonne untergehen. Das hereinfallende Licht legte einen Glorienschein um Kopf und Schultern des Mannes.
Jesus Wallenberg persönlich,
dachte Brace und blieb vor dem Schreibtisch stehen.
    Wallenberg blickte von seinen Papieren auf. »Ja, Robbie?«
Robbie. Nicht Dr. Brace. Damit gleich klar ist, wer hier das Sagen hat.
    »Erinnern Sie sich an einen Patienten namens Stan Mackie?«
    Gegen den Lichtschein von hinten war Wallenbergs Gesichtsausdruck nicht zu erkennen. Langsam lehnte er sich in seinem Sessel zurück und entlockte dem Lederbezug ein teures Quietschen. »Wie kommen Sie auf Stan Mackie?«
    »Durch einen Ihrer Patienten, James Bigelow. Kennen Sie Mr. Bigelow?«
    »Ja, natürlich. Er war einer meiner ersten Patienten hier. Einer der ersten, die nach Brant Hill kamen.«
    »Also, Mr. Bigelow war heute nachmittag in der Klinik. Er war sehr aufgeregt. Ich bin nicht sicher, ob ich etwas Zusammenhängendes von ihm erfahren habe. Er meinte, daß alle seine Freunde krank geworden seien, und fragte sich, ob er der nächste

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