Roter Engel
sei. Dabei erwähnte er Mackies Namen.«
»Das dürfte Dr. Mackie gewesen sein.«
»War er Arzt?«
Wallenberg zeigte auf einen Sessel. »Nehmen Sie doch Platz, Robbie. Es ist gar nicht so leicht, mit Ihnen zu diskutieren, wenn Sie drohend über einem stehen.«
Brace setzte sich. Sofort merkte er, daß das ein taktischer Fehler war. Er hatte seinen Höhenvorteil aufgegeben, und nun saßen sie sich direkt gegenüber, durch den Schreibtisch auf Distanz gehalten. Jetzt hatte Wallenberg alle Vorteile für sich. Den höheren Rang. Die Rasse. Und den besseren Schneider.
»Wovon hat Mr. Bigelow denn da geredet?« fragte Brace. »Er schien eine gewaltige Angst davor zu haben, daß er krank würde.«
»Ich habe nicht die leiseste Idee.«
»Er sprach von einer Prozedur, der er sich und seine Freunde unterzogen haben.«
Wallenberg schüttelte den Kopf. »Vielleicht meinte er die Hormonversuchsreihe. Die wöchentlichen Injektionen.«
»Ich weiß nicht.«
»Wenn das der Fall ist, macht er sich unnötig Sorgen. An den Versuchen gibt es nichts Umstürzendes. Das wissen Sie selbst.«
»Also haben Mr. Bigelow und seine Freunde tatsächlich Hormone gespritzt bekommen?«
»Ja. Das war einer der Gründe, warum sie nach Brant Hill gekommen sind. Wegen unserer Forschungen zur Überwindung des Alterungsprozesses.«
»Interessanter Begriff, den Sie benutzen.
Überwindung des Alterungsprozesses.
Mr. Bigelow hat von Injektionen nichts gesagt. Er nannte es eindeutig eine
Prozedur.
Es klang eher nach chirurgischen Eingriffen.«
»Nein, nein. So etwas hat es bei ihm nie gegeben. Tatsächlich erinnere ich mich nur an einen chirurgischen Eingriff, den er mal über sich ergehen lassen mußte. Und das war die notwendige Entfernung von Nasenpolypen, gutartigen, versteht sich.«
»Und was ist mit den Hormonversuchen? Hat es da
irgendwelche
gravierende Nebenwirkungen gegeben?«
»Keine.«
»Also kann Angus Parmenters Tod darauf nicht zurückgeführt werden?«
»Die endgültige Diagnose steht noch aus.«
»Es handelt sich um Creutzfeldt-Jakob. Das weiß ich von Dr. Harper.«
Wallenberg verstummte, und Brace wurde plötzlich bewußt, daß er Tobys Namen besser nicht erwähnt hätte. Gar nicht angedeutet hätte, überhaupt mir ihr in Kontakt zu stehen.
»Nun ja«, sagte Wallenberg. »Das könnte die Symptome bei dem Patienten erklären.«
»Was ist mit Mr. Bigelows Bedenken? Daß seine Freunde alle an der gleichen Krankheit litten.«
Wallenberg schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, unseren Patienten fällt es schwer zu akzeptieren, daß sie am Ende ihrer Lebensspanne angekommen sind. Angus Parmenter war zweiundachtzig. Altern und Sterben, das trifft uns schließlich alle.«
»Wie ist Dr. Mackie gestorben?«
Wallenberg ließ sich Zeit. »Das war eine besonders auf-regende Geschichte. Dr. Mackie ist im Wicklin Hospital in einem Anfall von Psychose aus dem Fenster gesprungen.«
»Mein Gott.«
»Es hat uns alle erschüttert. Er war Chirurg, und ein besonders guter dazu. Selbst mit vierundsiebzig stand er noch im Operationssaal. Bis zum Tag seines … Unfalls hat er dort gearbeitet.«
»Hat man eine Autopsie vorgenommen?«
»Es hatte eindeutig traumatische Ursachen.«
»Ja, aber gab es nun eine Autopsie?«
»Ich weiß nicht. Er hat bis zu seinem Tod in der Chirurgie des Wicklin gelegen und ist eine Woche nach seinem Sturz gestorben.« Er sah Robbie nachdenklich an. »Ihnen scheint das alles nahezugehen.«
»Ich glaube, es ist wegen der Aufregung, in der Mr. Bigelow war. Er hat noch einen Namen erwähnt, von einem anderen Freund, der erkrankte. Ein Philip Dorr.«
»Mr. Dorr geht es gut. Er ist ins Brant Hill West nach La Jolla gezogen. Ich habe gerade die von ihm gegen-gezeichnete Vollmacht erhalten, seine Unterlagen dorthin zu übermitteln.« Er suchte in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch und zog schließlich ein Blatt Papier hervor. »Hier ist das Fax aus Kalifornien.«
Brace warf einen Blick darauf und sah Philip Dorrs Unterschrift. »Dann ist er also nicht krank.«
»Vor ein paar Tagen habe ich Mr. Dorr noch in der Klinik gesehen. Eine Routineuntersuchung.«
»Und?«
Wallenberg sah ihn direkt an. »Er war bei bester Gesundheit.«
Wieder am eigenen Schreibtisch diktierte Brace seine Protokolle und füllte die Krankenblätter aus. Um halb sieben klappte er den Minikassettenrekorder zu und ließ den Blick über seinen freigearbeiteten Schreibtisch wandern. Und merkte, daß er auf einen Namen starrte, den er hinten auf
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