Roter Engel
die Rechtsmedizin zufriedengestellt sind?«
»Ja. Sie sind übereingekommen, keine öffentliche Erklärung abzugeben, weil es keinen Grund für eine Warnung der Öffentlichkeit gibt.«
»Aber Dr. Harper weiß über die Angelegenheit Bescheid. Wir müssen wissen, wie wir auf ihre Fragen zu antworten haben. Denn wenn sie Bescheid weiß, weiß es bald auch die Öffentlichkeit.«
»Hat es schon Anfragen seitens der Medien gegeben?« fragte Hardaway.
»Bisher noch nicht. Aber es könnte eine unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns gelenkt werden.« Foley sah Wallenberg wieder an. »Sagen Sie uns also noch einmal, Carl, daß wir uns bezüglich dieser Krankheit keinerlei Sorgen zu machen haben.«
»Sie müssen sich über nichts Sorgen machen«, sagte Wallenberg. »Ich sage Ihnen, diese beiden Fälle haben nichts miteinander zu tun. Zufälle passieren nun einmal.«
»Wenn es zu weiteren Fällen käme, würde es nicht mehr nach Zufall aussehen«, sagte Hardaway. »Es würde sich in eine PR-Katastrophe verwandeln, weil es dann so aussehen würde, als hätten wir es nicht für nötig gehalten, der Sache auf den Grund zu gehen.«
»Das ist der Grund, warum mich Dr. Harpers Anruf beunruhigt«, sagte Foley. »Im Grunde hat sie uns wissen lassen, daß sie Bescheid weiß. Und daß sie uns beobachtet.«
»Das klingt ja wie eine Drohung«, sagte Hardaway.
»Es ist eine Drohung«, sagte die Finanzvorständlerin. »Unsere Aktien sind heute morgen um weitere drei Punkte gestiegen. Doch was passiert, wenn die Investoren erfahren, daß uns unsere Bewohner wegsterben – und wir nichts unternommen haben, dem ein Ende zu machen?«
»Aber es gibt nichts, dem man
ein Ende machen
könnte«, sagte Wallenberg. »Es ist die pure Hysterie ohne jede faktische Untermauerung.«
»Was Dr. Harper mir sagte, klang mir sehr vernünftig«, sagte Foley.
Wallenberg schnaufte. »Das ist genau das Problem. Sie klingt vernünftig, auch wenn sie es nicht ist.«
»Worauf ist sie denn eigentlich aus?« fragte die Dame vom Finanzvorstand. »Geld? Beachtung? Es muß ein Motiv geben, das sie treibt und auf das wir reagieren können. Haben Sie einen Wink in der Richtung bekommen, Ken, als Sie heute früh mit ihr sprachen?«
Ruhig antwortete Foley: »Ich glaube, in Wirklichkeit geht es ihr um Dr. Brace. Und den unglücklichen Zeitpunkt seines Todes.«
Bei der Erwähnung von Robbie Brace verfielen alle für einen Moment in Schweigen und sahen vor sich auf den Tisch. Keiner wollte von dem Toten reden.
»Sie und Dr. Brace waren miteinander bekannt«, sagte Foley.
»Vielleicht mehr als nur bekannt«, fügte Wallenberg abfällig hinzu.
»Wie immer ihre Beziehung war«, sagte Foley, »der Tod von Dr. Brace hat sie genügend in Aufregung versetzt, um auf diese Frage zu kommen. Und sie scheint ein Insiderwissen zu haben, was die Ermittlungen in dieser Mordsache angeht. Irgendwie muß sie auch von der Diagnose zum Fall Dr. Mackie erfahren haben. Sie wußte, daß er in Brant Hill gewohnt hat. Nichts davon war zuvor in die Öffentlichkeit gedrungen.«
»Ich weiß, woher sie es hat«, sagte Wallenberg. »Aus der Rechtsmedizin. Sie hat mit Dr. Dvorak zu Mittag gegessen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich erfahre so manches.«
»Mist«, sagte die Finanzdame. Es blieb der einzigen Frau in der Runde vorbehalten, den ersten Fluch auszu-stoßen. »Dann verfügt sie über Namen und Fakten, die sie an die Medien durchsickern lassen könnte. Soviel zum Punktgewinn an der Börse.«
Foley beugte sich vor und sah Wallenberg scharf an. »Carl, Sie sind der medizinische Experte. Und bislang haben wir uns Ihrer Beurteilung der Angelegenheit unterworfen. Aber wenn Sie unrecht haben, wenn noch ein Patient von dieser Krankheit befallen wird, dann könnte das all unsere Expansionspläne abwürgen. Es könnte, zum Teufel, auch das kaputtmachen, was wir bereits haben.«
Wallenberg mußte den Ärger in seiner Stimme unterdrücken.
Es gelang ihm auch, völlig ruhig und zuversichtlich zu klingen, und das war er ja schließlich. »Ich sage es ein drittes Mal. Wenn es sein muß, auch ein dutzendmal. Es handelt sich um keine Epidemie. Die Krankheit wird bei keinem unserer Bewohner mehr auftauchen. Und wenn, dann gebe ich all meine gottverdammten Aktienanteile wieder zurück.«
»So sicher sind Sie?«
»So sicher bin ich.«
Foley lehnte sich erleichtert zurück.
»Dann müssen wir uns nur noch um eines Sorgen machen«, sagte die Finanzdame, »und das ist die große Lippe, die Dr.
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