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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Spiegelbild darin sehen konnte, das zwischen den glänzenden Karossen seltsam blass wirkte. Einen Augenblick starrte er auf den eigenen Schatten, auf die Konturen der Straße hinter ihm und die der gegenüberliegenden Häuser, als er plötzlich neben seinem Abbild eine weitere, schemenhafte Figur wahrnahm, Vexierbild eines Mannes, der in einiger Entfernung stehen geblieben war und ebenfalls in Richtung der Schaufenster blickte. Als er sich langsam umwandte, bemerkte er, dass der andere bereits wieder weiterging und gleich darauf in eine Nebenstraße abbog.
    Otto schenkte dem schwarzen Fahrzeug im Ausstellungsraum noch einige Sekunden seiner Aufmerksamkeit und trabte los. Im Grunde interessierte er sich nicht für Autos, die er sich ohnehin nicht leisten konnte. Er schob die Hände in die Taschen seiner Jacke und schüttelte sich. Es war empfindlich kalt geworden. Zum Glück war es nicht mehr weit. Nur noch einige wenige Schritte bis zur Reschreiterstraße …
    Gut, dass er damals ein Duplikat der Schlüssel hatte herstellen lassen. Die Originale hatte er aus ihrer Handtasche geklaut, als sie nach der Nachtschicht in den Zimmern der Mädchen sauber gemacht hatte. Zuerst hatte sie gar nicht bemerkt, dass die Schlüssel gefehlt hatten. Erst als sie am nächsten Tag nach Hause in ihre Wohnung gewollte hatte, hatte sie begonnen, danach zu suchen. Er hatte so getan, als würde er ihr dabei helfen, und sie war ihm dankbar gewesen. Einen Tag später hatte er ihr den Schlüsselbund wiedergebracht, hatte vorgegeben, ihn in der Nähe der Hundezwinger gefunden zu haben. Damals hatte sie ihm nicht so recht geglaubt, da sie die Nähe der Hunde gemieden hatte, soweit es gegangen war. Wie also hätten die Schlüssel dort gelandet sein sollen? Aber dann hatte sie sie genommen, ihn ein wenig komisch angesehen und lediglich mit den Schultern gezuckt. Wahrscheinlich war sie nur froh gewesen, ihn zurückzuhaben.
    So war sie halt gewesen, die Marlies. Wie aus einer anderen Welt. Manchmal hatte sie ihn angeschaut wie damals, als er ihr die Schlüssel gebracht hatte, und dabei war ihr Blick durch ihn hindurchgegangen, als ob er gar nicht vorhanden gewesen wäre. Das hatte ihn immer wütend gemacht. Diese Eigenart hatte sie auch an den Tag gelegt, wenn er mit ihr geschlafen hatte. Einmal hatte sie lautlos geweint, als er mit einem grunzenden Stöhnen über ihr zusammengebrochen war, und er hatte sie ganz erschrocken nach dem Grund ihrer Tränen gefragt. Aber sie hatte nicht einmal wahrgenommen, dass er sie etwas gefragt hatte. Da war der Zorn in ihm hoch gelodert und er hatte sie verprügelt. Hinterher hatte es ihm leidgetan.

    Es war das erste Mal, dass er das Haus betrat, in dem sie gewohnt hatte. Ein zweistöckiger Bau ohne Außenbeleuchtung mit einem Hinterhof, der nur schemenhaft zu erkennen war. Nur in den unteren Räumen brannte in einigen Fenstern Licht, war Leben zu erkennen. Eine Familie mit Kindern, wie es sich anhörte. Die Haustür war unverschlossen und er trat in einen kahlen, schmucklosen Eingangsbereich, von dem aus eine Treppe nach oben führte. Er suchte nach einem Lichtschalter, fand jedoch keinen und tastete sich nach oben. Vor der Tür zu ihrer Wohnung verharrte er einen Moment. Dann zog er den Schlüssel heraus und steckte ihn ins Schloss. Die Tür ließ sich ohne Probleme öffnen.
    Er wusste im Grunde nicht, wonach er suchen sollte. Das Wohnzimmer mit der altmodischen Sitzgruppe war aufgeräumt oder wirkte jedenfalls aufgeräumt. Der Schreibtisch in der Ecke war ordentlich: Stifthalter, Notizbuch und einige Zeitschriften, meist Frauenzeitschriften mit mageren, großäugigen Models auf dem Cover. Über dem Schreibtisch zwei niedrige Hängeregale mit vielen Büchern, die pedantisch der Größe nach geordnet waren. Neben der Sitzgruppe mit der Couch ein alter Fernsehapparat, der tief in den Raum hereinragte. Otto blickte zum Fenster, das fast bis zum Boden herabreichte. Gelegentlich huschten Autoscheinwerfer vorbei und er zog die Vorhänge zu.
    »Was tust du hier?«, fragte plötzlich eine dünne Kinderstimme. Otto hatte niemanden kommen gehört, hatte sich sicher gefühlt und zuckte gewaltig zusammen. Völlig perplex starrte er auf ein Mädchen, das unversehens in der Tür stand.
    »Scheiße. Wo zum Teufel kommst du denn her?«
    Das Mädchen war höchstens fünf, sechs Jahre alt und trug einen rosafarbenen Schlafanzug, der ihm viel zu klein war. In den Händen hielt es ein Spielzeug. Es blickte Otto mit ernsten Augen

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