Roter Herbst - Kriminalroman
Amanda. Wie es den Anschein hatte, hatten sie es in diesem Fall mit einer ganzen Reihe von Schattenmännern zu tun. Vorausgesetzt natürlich, der Einbrecher war ein Mann.
»Apropos DNA. Habt ihr weitere Spuren gefunden? Von diesem Otto Brenner vor allem.«
»Was diesen Otto Brenner angeht«, sagte Nowak nach einer Weile, »da wimmelt die Wohnung nur so von Fingerabdrücken. Scheint, als habe er nach etwas gesucht …«
Also hatte Bichlmaier doch recht mit seiner Vermutung, dachte sie. Da gibt es wohl tatsächlich etwas, wonach es sich zu suchen lohnt. Irgendwie war sie davon ganz und gar nicht überrascht.
Bichlmaier wusste später nicht mehr, wie er von dem Turm heruntergekommen war. Er erinnerte sich nur noch, dass er am Fuß des Gebäudes aus der Tür gestürzt und quer durch den ehemaligen Kasernenhof gehetzt war, an den Baracken und Unterkünften des Areals vorbei, zum Ausgang hin. Erst als er das Kasernengelände verlassen hatte, war er ruhiger geworden und er hatte sich schwer atmend auf eine Bank gesetzt, die am Wegesrand stand.
Hier im tiefer gelegenen Teil des Waldes war es, verglichen mit den Temperaturen der vergangenen Tage, relativ mild. Die Morgensonne lugte durch die Bäume. Aber es war eine andere Sonne als die, die er vom Wachturm aus gesehen hatte. Eine friedliche Sonne, eine, die Wärme ausstrahlte.
Dieser Fall hatte etwas, das ihm Angst machte. Er konnte sich an keinen Fall in seiner langen Karriere erinnern, bei dem die ermittelnden Beamten so lange im Nebel herumgestochert hatten wie dieses Mal, ohne zu greifbaren Ergebnissen zu kommen. Obwohl er bislang nur am Rande in die Ermittlungsarbeiten eingebunden gewesen war, war in ihm eine Unruhe gewachsen, die wohl mit seiner persönlichen Betroffenheit zusammenhing. Er hatte Angst vor dem Bösen, das er irgendwo dort draußen im Moor vermutete.
Die Frau, die die Tür öffnete, war kleiner, als er sie in Erinnerung hatte. Das Haar, einstmals schwarz und wild, war grau geworden und wurde von einer Spange zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengehalten.
»Nun bist du also doch gekommen«, sagte sie lächelnd. »Du hast dir ganz schön Zeit gelassen.«
Sie nahm ihm sein Jackett ab und führte ihn ins Wohnzimmer. Er sah, dass sie hinkte. Wie es schien, war ein Bein kürzer als das andere. Dann ging sie in die Küche, um Kaffee zu machen, und für einige Minuten blieb er allein zurück.
Der Raum war nicht allzu groß, aber von hellem Licht durchflutet. Er suchte nach Bildern an den Wänden, Fotos, die ihm vielleicht etwas über die Frau und ihr Leben hätten sagen können. Aber da war nichts. Es wäre wohl auch zu einfach gewesen.
»Hast du Kinder?«, fragte er sie, als sie mit einem Tablett voll mit Kaffeegeschirr und Kuchen zurückkam.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. Er hätte dabei gerne den Ausdruck in ihren Augen gesehen, aber sie hielt den Blick gesenkt, sodass er nichts erkennen konnte.
»Das ging danach nicht mehr. Die Verletzungen sind einfach zu groß gewesen. Zu viel, das kaputtgegangen ist …« Sie goss ihm Kaffee ein und stellte ihm ein Stück Kuchen hin.
»Ich habe völlig vergessen, dir Blumen mitzubringen«, sagte er. »Tut mir leid.«
»Was tut dir leid? Das mit den Blumen?«
Er nickte. Sie setzte sich und er sah, wie schwer sie sich dabei tat.
»Hast du denn Kinder? Eine Frau?«
»Eine Frau, aber wir haben keine Kinder bekommen. Die Natur war gegen uns … Vielleicht eine Frage der Gerechtigkeit.« Er deutete vage in Richtung ihres Beins, doch sie schüttelte den Kopf.
»Das hat doch nichts mit Gerechtigkeit zu tun.« Sie sah ihn dabei nicht an. »Und deine Frau …«
»… hat mich vor langer Zeit verlassen. Sie lebt in Rom bei ihrem Vater. Sie braucht die Wärme des Südens und das Meer.«
Bichlmaier blickte über sie hinweg zum Fenster, das leicht geöffnet stand. Ein Hauch frischer Luft drang herein und ließ die Vorhänge flattern. Zum zweiten Mal innerhalb der letzten Tage dachte er mehr als nur flüchtig an Marianne. Es war seine Kälte, die sie nach Rom getrieben hatte, ging es ihm durch den Kopf. Seine verdammte Kälte.
Einen Moment lang senkte sich Schweigen zwischen die beiden, bis er es nicht mehr ertragen konnte.
»Wie lange warst du damals im Krankenhaus?«
»Ich weiß es nicht mehr. Viele Wochen. Ich war in vielen Krankenhäusern, bei vielen Ärzten und Spezialisten. Meistens habe ich aber geschlafen, wegen all der Schmerzmittel.«
»Und hinterher …?«
»Ich musste vieles neu
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