Roter Herbst - Kriminalroman
Augen zwinkert. Und immer muss sie bereit sein für das, was er ihre gemeinsame Prüfung nennt.
Schließlich nimmt er ihr die Ketten ab, verbietet ihr aber, das Haus zu verlassen. Mehr als zwei Tage sitzt sie da, unfähig, sich zu bewegen, trinkt lediglich aus dem Blechnapf, der vor ihr steht, isst von dem harten Brot, das er ihr hingeschmissen hat, entleert sich in einer Ecke des Raums, wenn ihr Körper es fordert. Als es dann wieder Nacht wird, erhebt sie sich …
Sie kommt nicht weit. Sie warten vor dem Haus auf sie. Dann schleifen sie sie zurück und schlagen sie noch einmal halb tot.
Danach wissen die Männer, dass sie sich ab jetzt keine Sorgen mehr machen müssen.
Sie wird nun nie wieder davonlaufen.
Als der Sommer und zum größten Teil auch der Herbst vorüber sind, bringen sie ihr einen Ofen, Holz und Kohle, dass sie es einigermaßen warm hat. Sogar eine Leitung legen sie ihr ins Haus, mit Strom, der von einem altmodischen mit Diesel betriebenen Generator erzeugt wird.
Im ersten Winter wäre sie trotzdem beinahe erfroren, als ihr die Zündhölzer ausgehen, und sie sich nur noch in ihre Decken kauern kann. Erst nach zehn Tagen kommt der Dunkle, den die anderen Magnus nennen, und setzt das Feuer wieder in Gang.
In dieser Phase ist sie stumm wie ein Grab, und nur manchmal schreit sie vor Schmerz, wenn die Männer die Peitschen zu wild schwingen und ihre Haut aufplatzt.
So vergnügen sich die Männer fast zehn Jahre lang. Es sind nicht immer dieselben, die kommen, aber das registriert sie kaum. Nur der, den sie am meisten fürchtet, sucht sie mit großer Regelmäßigkeit auf. Wie es scheint, wird er ihrer nicht müde, und immer wieder fallen ihm neue Spiele ein, um sie zu quälen und zu prüfen.
Dann wird sie schwanger. Als die Männer ihren immer dicker werdenden Bauch bemerken, bleiben sie nach und nach weg, hören auf, sich ihrer zu bedienen. Fast scheint es, als hätten sie so etwas wie Achtung vor ihrem Zustand.
Damit beginnt eine neue Phase in ihrem Leben. Nur mehr der Dunkle, der Alte, wie sie ihn bei sich nennt, findet noch den Weg zu ihr ins Moor hinaus. Ob er der Vater des Kindes ist oder ob es einer der anderen Männer ist, weiß sie nicht, ist ohne Belang – wie es scheint, auch für ihn. Als sie den Jungen zur Welt bringt, ist er jedenfalls dabei. Er und eine Frau, die sie nicht kennt, die aber weiß, was zu tun ist. Die Geburt verläuft ohne Komplikationen. Trotz all der Gewalt, die ihrem Körper angetan worden ist, ist er stark und zäh und fest.
Während der ersten Wochen nach der Geburt kommt der Alte jeden Tag, sieht nach ihr und dem Kind, bringt, was sie benötigen. Sie nimmt es hin, ohne ihm gegenüber je eine Gefühlsregung zu zeigen. Dabei erholt sie sich schnell, doch stärker noch als in den Monaten und Jahren zuvor umfangen sie immer wieder verstörende Bilder von wilden Tieren, käferartigen Missgeburten und Schlangen.
Sie gibt dem Kleinen die Brust, solange sie Milch hat, und er entwickelt sich prächtig. Wenn er schreit, liegt sie bei ihm und singt die Lieder ihrer Heimat. Sie erzählt ihm die Geschichten, die ihre Mutter ihr einst erzählt hat, Geschichten aus der unendlichen Ferne ihrer Kindheit. Dazu die Märchen, die sie in der Fremde kennengelernt hat, und mitunter liest sie ihm aus den Büchern vor, die ihr der Alte bringt.
Nach und nach wächst der Junge heran, beginnt zu laufen und zu sprechen. Sie nimmt es hin, ohne Freude zu empfinden, gleichmütig, immer verfolgt von den Bildern ihres verwirrten Geistes.
Als der Junge vier oder fünf Jahre alt ist, bringt der Alte eines Tages seinen Enkel, den kleinen Martin, mit hinaus in die Stille des Moores. Von da an spielen die beiden Kinder immer öfter miteinander. Im Lauf der Jahre kommen noch andere Kinder aus den Dörfern, um in völliger Ausgelassenheit mit den beiden herumzutoben. Wilde, grausame Spiele sind es, die sie weit ins Moor hinaus treiben, Spiele, von denen der Junge und auch Martin oftmals zerkratzt und blutend zurückkommen.
So gehen die Jahre dahin und das Leben, das Swetlana nun führt, ist von Einsamkeit und der Öde der täglichen Abläufe geprägt. Seit ihrer Schwangerschaft und der Geburt des Jungen hat sie der Alte nicht mehr angerührt. Den Stock und die Peitsche hat er in die Ecke gelegt und nicht wieder hervorgeholt. Wenn er zu ihr und dem Jungen kommt, dann sitzen sie zusammen in der verfallenen Küche oder vor dem Haus, und es ist, als würden sie sich gegenseitig dabei beobachten,
Weitere Kostenlose Bücher