Roter Lampion
Hochglanz polierter Rolls-Royce wie im Zeitlupentempo vorfuhr. Ihm entstiegen ein Gepäckträger und der Chauffeur, der zuvor bei Sorokin gestanden hatte.
Zurückhaltender geht es wirklich nicht, dachte Cooper, als mehrere Koffer aus dem Wagen ausgeladen wurden. Der Herr Millionär geniert sich, im Rolls-Royce vorzufahren!
Wenige Minuten später verließ Cooper seinen Beobachtungsposten und begab sich in das Foyer, das voller Menschen war. Es ging ihm jetzt aber nicht darum, Ivo Sorokin im Auge zu behalten; er hatte vielmehr gesehen, daß ein Lieferwagen seine eigenen Koffer brachte. Dennoch war es erregend für ihn, erstmals unmittelbar neben dem gebürtigen Russen zu stehen, dessen braune Haut über eine Erschöpfung hinwegtäuschte, die seine dunklen Augen erkennen ließen.
Vor dem Waffenhändler trat der Chinese mit der zu voll gestopften Aktentasche an die Rezeption.
»Sie wünschen?« erkundigte sich der Chiefsteward kurz angebunden.
»Lim!« antwortete der Chinese und lachte, als habe er einen köstlichen Witz gemacht.
Die Augen des ›Chiefs‹ weiteten sich. »Sie sind Mister Lim?«
Der Chinese lachte erneut. »Hah, I am Lim Swee Long!« Damit griff er in die Seitentasche seines Jacketts und überreichte seinen Paß. »Hah!«
Der Chiefsteward setzte eine verbindliche Miene auf. »Sie haben Kabine neunundzwanzig im A-Deck, Mister Lim. Darf ich mich nach Ihrem Gepäck erkundigen?«
»Gepäck?« Der Chinese lachte wiehernd und hielt seine Aktentasche hoch. »Hah, das ist mein Gepäck. Eine Hose, drei Hemden, dreimal Unterwäsche, Zahnbürste, Kamm und Kleinigkeiten. Täglich werden eine Hose, zwei Hemden und zwei Garnituren Unterwäsche gewaschen. Es sind doch chinesische Wäscher an Bord, hah?«
»Aber gewiß.«
»Hah! Kein Koffer – kein Problem!«
Ein Steward trat an ihn heran und wollte ihm die Tasche abnehmen.
Der Chinese schlug sich auf die Brust. »Hah, die Tasche trage ich selber«, erklärte er und setzte sich mit schrägem Oberkörper in Bewegung.
Während der ›Chief‹ sich an Ivo Sorokin wandte, ging Cooper auf das Eingangsschott zu, durch das ein junger Mann mit zwei Koffern trat. Er forderte ihn auf, ihm zu folgen, und führte ihn in seine Kabine, wo er ihm herzlich die Hand schüttelte und leise sagte: »Nimm es mir nicht übel, daß ich dir nicht geholfen habe. Aber wenn ich einen der Koffer übernommen hätte, wäre garantiert ein Steward herbeigestürzt, und wir würden keine Sekunde allein gewesen sein.«
»Ist doch klar«, entgegnete der junge Mann, wobei er sich den Schweiß von der Stirn wischte und interessiert um sich schaute. »In so einer Kabine möchte ich auch um die Welt reisen.«
»Für dich wird der große Tag genauso kommen, wie er jetzt für mich gekommen ist«, erwiderte Gordon Cooper und schloß das Sicherheitsfach seines Schreibtisches auf, dem er den Umschlag entnahm, den er in Rotterdam eingeschlossen hatte. »Hör zu, Bill! Hierin befindet sich die Liste aller Passagiere, denen ich jeweils eine Nummer zugeteilt habe. Ich besitze ein Duplikat. Prüft sofort, ob sich jemand an Bord befindet, der etwas mit der Polizei zu tun gehabt hat oder aus anderen Gründen interessant für mich sein könnte, und gebt mir nach Genua Bescheid. Dort haben wir zwei Tage Aufenthalt.«
Der junge Mann steckte den Umschlag in sein Jackett und reichte Cooper die Hand. »Mach’s gut, Gordon. Wenn du Hilfe benötigst: Postkarte genügt!«
Ein melodisches Glockenspiel kündigte den Lunch an, der wegen der hinzukommenden Gäste später als gewöhnlich serviert wurde. Da Margit Holstein am Abend zuvor nicht im Speisesaal erschienen war, konnte Gordon Cooper erst jetzt feststellen, welchen Platz sie hatte. Sie saß auf der Backbordseite des Schiffes, also weit von ihm entfernt.
Er hatte dies kaum registriert, da führte der Chiefsteward die auffällig gekleidete Engländerin, die sich am Pier an Ivo Sorokin gewandt hatte, an Margit Holsteins Tisch und machte die Damen miteinander bekannt.
Das ist ja ein glücklicher Zufall, dachte Cooper verblüfft, da er die Engländerin aufgrund seiner Beobachtungen für eine Bekannte Ivo Sorokins hielt. Da werde ich von Margit einiges erfahren können.
Beim Essen klappte an diesem Tage nicht alles so, wie es sollte. Es herrschte jene nervöse Atmosphäre, die Landluft auf Schiffen hervorruft. Gordon Cooper war deshalb ganz froh, daß Ivo Sorokin nicht zum Lunch erschien. Weniger erfreut war er allerdings darüber, daß sich sein zukünftiger
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