Roter Lampion
augenblicklich spürte, daß Sorokin etwas von ihm wollte.
»Kennen Sie Miß Holstein schon länger?«
Er wundert sich darüber, daß wir uns beim Vornamen nennen, blitzte es in Cooper auf, und im nächsten Moment schaltete sein Instinkt ein entsprechendes Relais vor sein Hirn. »Nein, ich habe Miß Holstein hier an Bord kennengelernt«, antwortete er und lächelte still vor sich hin.
Was mag ihn da belustigen, fragte sich Ivo Sorokin.
Da Cooper sein Gegenüber unauffällig beobachtete, entging ihm nicht der nachdenkliche Ausdruck in dessen Augen, den er als Bestätigung für die Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Weges wertete. »Unser Kennenlernen war recht komisch«, fuhr er wie in Gedanken versunken fort und erzählte von dem Fauxpas, den er sich geleistete hatte, von der in der Kabine gefundenen Bonbondose und seinem Reagieren, von der Ausfahrt aus Rotterdam, der unversehens aufgetretenen Verstimmung und der schließlich erfolgten Versöhnung.
Sorokin, den Coopers Ehrlichkeit verblüffte, tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. »Miß Holstein ist also Ethnologin und geht nach Kuala Lumpur?«
»Ja«, erwiderte Cooper und trank einen Schluck Wein.
»Und wohin reisen Sie?«
»Nach Hongkong«, antwortete er und dachte: Frag weiter! Frag weiter!
»Sind Sie dort tätig?«
»Ich möchte es werden«, erwiderte Cooper ohne zu zögern. »Der Mann meiner in Rotterdam lebenden Schwester hat mich einigen Freunden empfohlen.«
»Das ist aber ein ungewöhnlicher Weg«, entgegnete Ivo Sorokin erstaunt. »Normalerweise fährt man erst los, wenn man einen Vertrag in der Tasche hat.«
Cooper nickte. »Gewiß. Mir blieb jedoch keine andere Wahl. Ein Kavaliersdelikt zwang mich, London zu verlassen.«
Ivo Sorokin räusperte sich, als wäre ihm des Gehörte in die Kehle geraten. Das Gespräch wurde ihm peinlich, und um es, ohne unhöflich zu werden, zu Ende bringen zu können, erkundigte er sich nach dem Beruf seines Tischpartners.
»Da beginnen die nächsten Schwierigkeiten für mich«, antwortete Cooper, der nun ganz in seinem Metier aufging. »Mein Vater war der Vermögensverwalter einer bekannten Persönlichkeit. Als er vor sieben Jahren starb, übernahm ich seinen Posten. Alles klappte vorzüglich, bis mein hoher Herr und Gebieter sich auf eine zweite Ehe einließ. Mit einem reizenden Geschöpf von neunzehn Jahren. Er selbst war achtundsechzig! Die Versuchung lag auf der Hand, und sie steigerte sich zu himmlischen Aspekten. Wir konnten nicht widerstehen, betraten den Garten Eden, wurden beim Früchteessen erwischt und – ich mußte mich verpflichten, England zu verlassen. Sozusagen, um das Geschehene ungeschehen zu machen.«
Ivo Sorokin konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Auch wußte er nicht, was er Coopers Offenheit entgegensetzen sollte. »Kavaliersdelikt und Positionsverlust auf einmal, das ist natürlich ein bißchen viel«, sagte er amüsiert und irritiert zugleich.
Gordon Cooper zuckte die Achseln. »Mein edler Gebieter war so gnädig, meine jahrelange verschwiegene Tätigkeit – ich meine natürlich in vermögensverwalterischer Hinsicht – mit einer großzügigen Abfindung zu honorieren. Es wird mir also nichts ausmachen, wenn ich umsonst nach Hongkong reise, was durchaus möglich ist, weil ich über kein Zeugnis verfüge. Und den Namen meines bisherigen Chefs kann ich ja schlecht nennen.«
Ivo Sorokin betrachtete ihn prüfend. »Warum nicht?«
Cooper gab seiner Stimme einen vertraulichen Klang. »Ich würde ihn dann doch bloßstellen.«
»Das ist richtig«, erwiderte der Waffenhändler, wobei er den Stiel seines Weinglases spielerisch drehte. »Eines Tages aber, wenn ihre Mittel erschöpft sind, werden Sie es wohl oder übel tun müssen.«
»Niemals!« entgegnete Cooper mit soviel Nachdruck, daß die Narbe auf seiner Wange rot anlief. Er wußte, daß er jetzt überzeugen mußte. »Um keinen Preis würde ich seinen Namen nennen. Die Rechnung habe ich nun selber zu zahlen.«
Er scheint nicht nur offen, sondern auch vertrauenswürdig zu sein, dachte Ivo Sorokin angenehm berührt. Vielleicht ist es gut, ihn kennengelernt zu haben.
Gordon Cooper sah den grüblerischen Gesichtsausdruck seines Gegenübers und wußte, daß er gewonnen hatte. Das Eis war gebrochen.
4
Am Mittag des vierten Reisetages wurde die Insel Ibiza bei so hervorragendem Wetter erreicht, daß der Swimming-pool der ›Bayern‹ der mit durchfließendem Meereswasser versorgt wurde, gefüllt werden
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