Roter Lampion
aber gleicht dem der Göttin Kwanon.
Gordon Cooper öffnete die Lider und sah, daß Su-su ihn anblickte. Ihren in diesem Moment nicht ganz parallel stehenden Augen haftete etwas hingebungsvoll Sehnsüchtiges an. »Su-su!« flüsterte er verwirrt.
»Es ist wunderbar, daß du mir gerade jetzt den Kuß gegeben hast«, sagte sie beglückt. »Du hast mir damit unendlich viel Gesicht geschenkt.«
Er schaute sie fragend an. »Das mußt du mir erklären. Wie kann ich dir…«
»Psst!« unterbrach sie ihn und zog ihn mit sich fort. »Du wirst mich verstehen, wenn ich mit dir gesprochen habe. Erledige schnell, was du noch zu erledigen hast.«
»Begleitest du mich?«
»Gerne.«
»Und was machen wir, wenn ich fertig bin?«
»Das hängt davon ab, ob du dein Büro aufsuchen mußt. Rajan habe ich übrigens schon gesehen. Er steht mit dem Wagen vor der Auffahrt.«
Cooper legte seinen Arm um Su-su und ging mit ihr auf die Kontrollschalter zu. »Ich werde heute nicht arbeiten, sondern das Wiedersehen mit dir feiern. Dabei wäre es mir am liebsten, wenn wir irgendwo schwimmen könnten. Hongkong ist die reinste Sauna. Ich klebe bereits wieder am ganzen Körper.«
»Dann schlage ich vor, du setzt mich an meiner Wohnung ab und fährst nach Hause, um dein Badezeug zu holen. Wenn du zurück bist, führe ich dich in eine Bucht, in der wir höchstwahrscheinlich ganz alleine sind, zumindest aber ungestört miteinander sprechen können. Es liegt mir am Herzen, dir als erstes zu erzählen, was mich nun schon seit Wochen bedrückt.«
Ob sie Farbe bekennen will, überlegte Cooper überrascht. Sie erwähnte aber ihren früheren Freund. Sollte es da Zusammenhänge geben?
Ein die Pässe kontrollierender Beamter der Einwanderungsbehörde rief Cooper in die Gegenwart zurück, und von diesem Augenblick an kam er nicht mehr dazu, Überlegungen anzustellen oder sich mit Su-su zu unterhalten, die wie ein kleines Mädchen neben ihm herlief, das stolz auf ihren großen Bruder ist.
Der Zoll, die Flughafenverwaltung, das technische Betriebsbüro, die Flugsicherungsstelle, die Amtskasse und was an sonstigen Organen das Fliegerdasein bürokratisch macht, mußten aufgesucht werden, und Gordon Cooper fühlte sich wie erlöst, als es endlich soweit war, daß er Su-su zum Wagen führen konnte, wo ihn der indische Fahrer mit vor der Brust gefalteten Händen begrüßte und sich dankbar verneigte, als Cooper sich nach seinem Wohlergehen erkundigte.
Während der Fahrt zur Repulse Bay glich Su-su einer sich öffnenden Blume. Sie erzählte, was sie während der Zeit des Alleinseins gemacht hatte, wies auf Dschunken, deren rotbraune und vielfach zerfetzte Segel sich malerisch gegen den Horizont abhoben, sprach über das traurige Dasein der am Wegesrand arbeitenden Hakka-Frauen und flüsterte Cooper in einem günstigen Augenblick zu, daß sie erstmalig in ihrem Leben mehr Sehnsucht nach einem Menschen als Heimweh nach China gehabt habe.
Er drückte verstohlen ihre samtweiche Hand und dachte frohgestimmt: Sie verkörpert die glückliche Vereinigung von Gemüt und Verstand.
Als Su-su in der Repulse Bay ausgestiegen war, erkundigte sich der Inder Rajan nach dem Gesundheitszustand von Ivo Sorokin, wobei er darum bat, ihm ausführlich zu berichten, damit er das Hauspersonal informieren könne, das sehr in Sorge sei.
Gordon Cooper entsprach seiner Bitte, und es tat ihm gut zu sehen, wie erleichtert, ja ergriffen der Inder war, als er hörte, daß gewisse Symptome eine Heilung seines Herrn vermuten ließen.
Bei der Einfahrt in Sorokins Besitzung war es dann wieder so, wie Cooper es bereits einmal erlebt hatte. Das Personal stürzte aus dem Seiteneingang des Hauses und gruppierte sich, um ihn zu begrüßen. Im Gegensatz zum erstenmal blickten ihm nun aber überaus freundliche Gesichter entgegen.
Der Boy Tim strahlte ihn an, als hätte er dreimal hintereinander das Mahjongspiel gewonnen. »Kleiderei von Mister ganz mächtig wunderbar fertig«, meldete er voller Stolz. »Wollen Bad – können.«
Cooper klopfte ihm auf die Schulter. »Wollen Bad mit Duft. Dann mächtig leichte Kleiderei und Badezeug für Strand. Verstehen?«
Tim grinste wie ein kleiner Kobold. »Schon verstehen! Mister aber nicht gut reden. Erst Strand und schwimmen Meer, dann Bad mit Duft, dann mächtig leichte Kleiderei.«
»Hast vollkommen recht«, erwiderte Cooper. »Aus bestimmten Gründen muß ich es heute aber anders machen.«
Dem Boy war anzusehen, daß seine Ordnung gestört war.
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