Roter Lampion
der Hongkonger Agentenzentrale, und der Wunsch, dieses Problem energisch anzugehen und zu lösen, hatte ihm die Kraft gegeben, sich über Ivo Sorokins Gesundheitszustand hinwegzusetzen und seinen eigenen Willen durchzudrücken. Sein Mitgefühl war damit freilich nicht erloschen. Im Gegenteil, es war so stark, daß aus dem Widerspruch seines Denkens und Empfindens die schlechte Stimmung resultierte, die ihn bis tief in die Nacht verfolgte.
Als er aber am nächsten Morgen mit dem Jet Commander zum Ende der Piste des Flughafens von Kuala Lumpur rollte, da war er nur noch geballte Spannung. Die Vorstellung, erstmalig allein mit einem Reiseflugzeug eine Strecke von 2 400 Kilometern über den Golf von Thailand, über Vietnam und über das Südchinesische Meer hinweg zurückzulegen, weckte in ihm neben dem beglückenden Gefühl, einen solchen Flug durchführen zu dürfen, auch jene mit gesunder Nervosität gewürzte Konzentration, die nur noch Gedanken an die kommende Aufgabe zuläßt. Mit dem Augenblick jedoch, da die Triebwerke auf volle Leistung gebracht waren und die Maschine schneller und schneller werdend über die Startbahn dahinjagte, sich schließlich abhob und wie ein von magischen Kräften gelenkter Pfeil zum Himmel hinaufschoß, war alles anders. Anspannung und Konzentration wichen Empfindungen ganz eigener Art. Während Coopers Hände an Hebeln und Knöpfen hantierten und seine Augen den geheimnisvollen Zeichen der Instrumente folgten, er sich also bedingungslos der Technik anvertraute, stieg der Jubel des von der Erdenschwere befreiten Menschen in ihm auf. Was eben noch wichtig erschienen war, sank zur Bedeutungslosigkeit herab. Mit Schicksalen angefüllte Dörfer und Städte wurden zu farbigen Klecksen auf einem von Wäldern und Feldern gewebten Teppich.
Ein Aufatmen ging durch Cooper. Wohin er blickte, alles war plötzlich sauber. Schmutz schien die Erde überhaupt nicht zu kennen. Eine Zentnerlast fiel von seinen Schultern. Ihm war es zumute, als stiege er aus einem Morast heraus.
In 10000 Meter Höhe stellte er die Leistungshebel auf die maximale Reisegeschwindigkeit und lauschte dem metallischen Pfeifen der Motoren. Das Vorbeistreichen der Luft hörte sich an wie das Ritzen eines Diamanten, der über eine Scheibe fährt. Die querab stehende Sonne malte mit einem goldenen Pinsel durch die Fenster.
Gordon Cooper genoß den Flug und das Alleinsein zwischen Himmel und Erde. Wie vom Schöpfer persönlich beschenkt kam er sich vor. Dann aber, als das Mekong-Delta, Cholon, Saigon und viele andere südvietnamesische Städte wie auf einer Reliefkarte unter ihm dahinzogen und er sich das Elend vergegenwärtigte, in das der Mensch den Menschen stürzt, da hätte er aufschreien und Gott fragen mögen: Warum duldest du so etwas?
Gordon Cooper war deshalb froh, als Vietnam hinter ihm lag und sich das bleigraue Südchinesische Meer vor ihm ausbreitete. Über eine Stunde gab es für ihn nun nur Wolken und Wasser, dann tauchte das im Dunst liegende chinesische Festland vor ihm auf. Sofort kontrollierte er seinen Radiokompaß, um sicher zu sein, daß er auf die Kronkolonie zuflog. Es war alles in bester Ordnung.
Dank günstigen Rückenwindes legte der Jet Commander die Strecke nach Hongkong in drei Stunden und fünfzig Minuten zurück, und Coopers Herz schlug schneller, als er die ihm nun schon vertrauten Wolkenkratzer Victorias und Kowloons erblickte und das geschäftige Treiben der Fähren, Sampans, Dschunken und Barkassen gewahrte, die wie Wasserfälle auf dem Perlfluß umherflitzten.
Nachdem die Kontrollstation des Flughafens die Landegenehmigung erteilt hatte, setzte Cooper zum Anflug an. Mit äußerster Konzentration steuerte er dicht über die auf dem Kowlooner Berg errichteten Hochhäuser hinweg, dann nahm er die Leistungshebel zurück und ließ die Maschine seitlich am Flughafengebäude vorbei ausschweben. Unwillkürlich drängte sich ihm dabei das Bild Su-sus auf. Was mochte sie dazu sagen, daß er mit einem Privatflugzeug zurückkehrte? Er hoffte, daß sie an diesem Tage keinen Spätdienst hatte.
Nach der Landung rollte Cooper zum Abstellplatz, wo er zu seiner Verwunderung Ah Boon und Lo Sung hinter dem ihm Zeichen gebenden Einweiser stehen sah. Etwas Rührendes ging von Sorokins zierlichem Kompagnon aus, der neben seinem schwammigen Neffen wie die Inkarnation Lao-tses wirkte und Cooper wie einem verloren geglaubten Sohn zuwinkte.
»Das also ist unser Flugzeug«, sagte Ah Boon, als er nach ungewöhnlich
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