Roter Lampion
Holstein durch Straßen, deren nur teilweise asiatisches Aussehen sie enttäuschte. Wohl waren die Häuser im typischen chinesischen Stil errichtet, prägten Areca-Palmen, deren malaiische Bezeichnung der Insel den Namen Penang gegeben hatte, das Gesicht der freien Plätze, die Menschen aber schienen von der Technik des 20. Jahrhunderts verwandelt zu sein. Sie hatten ihre Zöpfe mit Sonnenbrillen vertauscht und fuhren moderne Wagen und Motorroller, zwischen denen nur hin und wieder Fahrrad-Rikschas zu entdecken waren, die jedoch nicht von Malaien oder Chinesen, sondern nur von Touristen benutzt wurden. Die einheimischen Männer trugen durchweg dunkle Hosen und blütenweiße Hemden, die Frauen weitgeschnittene Pyjamas oder hautenge, bis zu den Schenkeln geschlitzte Kleider.
Doch je weiter Margit Holstein kam, um so reizvoller und exotischer wurde das Aussehen der Stadt, die sie stellenweise an die französische Riviera erinnerte. Leuchtende Farben und ein überwältigender Reichtum an Blumen gaben ihr einen so verführerischen Charme, daß Margit Holstein doch sehr beeindruckt war, als sie das Hotel E. & O. erreichte, vor dem ein indischer Türsteher in phantasievoller Uniform dafür sorgte, daß kommenden und gehenden Gästen jeder Wunsch erfüllt wurde.
Die zu ebener Erde gelegene Hotelhalle hatte riesige Ausmaße und gestattete einen Durchblick auf das Meer, vor dem auf gepflegten Rasenflächen bequeme Korbstühle standen. In weiße Westen und handgewebte Sarongs gekleidete Kellner hielten sich diskret zurück, eilten aber auf das kleinste Zeichen hin sogleich herbei.
Patrice MacDonald, die in der Halle Platz genommen hatte, um den Hoteleingang überschauen zu können, ging Margit Holstein entgegen. »Es ist traumhaft, wieder in Malaya zu sein«, rief sie überschwenglich und drehte sich im Kreise. »Schauen Sie sich nur diese Halle an. Rundherum Boutiquen! Wo finden Sie so etwas in Europa? Und wir haben phantastische Apartments mit Blick auf das Meer bekommen; eine Erlösung nach der engen Schiffskabine.«
»In der ich mich sehr wohl gefühlt habe«, entgegnete Margit Holstein frostig. »Im übrigen interessiert mich im Augenblick nur, wie es Mister Sorokin geht. Haben Sie etwas gehört?«
»Nein.«
»Ich habe schreckliche Angst um ihn.«
»Wegen der möglicherweise eintretenden Lähmung? Das ist doch bloß eine Vermutung. Außerdem ist Sorokin vermögend. Mit Geld kann man vieles erreichen.«
»Aber nicht alles!«
»Gewiß nicht«, stimmte ihr Patrice MacDonald zu. »Es hat aber keinen Sinn, jetzt den Kopf hängen zu lassen. Warten wir erst einmal ab, was Mister Cooper berichten wird. Er kommt ganz gewiß vorbei. Bis dahin müssen wir uns wohl oder übel gedulden.«
Während Patrice MacDonald dies sagte, wartete Gordon Cooper bereits über drei Stunden in der geräumigen Halle des ›General Hospitals‹ auf das Urteil des britischen Chefarztes, der Ivo Sorokin sofort übernommen hatte. Die lange Wartezeit zerrte an seinen Nerven, und er fühlte sich wie erlöst, als der Arzt nach fast vier Stunden endlich erschien.
»Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, sagte er erschöpft. »Aber mit bewegungsunfähigen Patienten geht es nun einmal nicht schnell.« Damit zündete er sich eine Zigarette an. »Wo steckt mein deutscher Kollege?«
»Den habe ich fortgeschickt«, antwortete Gordon Cooper und fügte erklärend hinzu: »Für ihn ist der Fall ja ohnehin erledigt. Da soll er die paar Stunden seines Aufenthaltes in Penang nicht im Krankenhaus verbringen. Aber was ist mit Mister Sorokin?«
»Es sieht leider nicht gut aus«, erwiderte der Chefarzt mit Bedauern in der Stimme. »Er ist ab Leibesmitte total gelähmt und von der Brust ab gefühllos. Die Röntgenbilder zeigen eindeutig Frakturen mehrerer Wirbelkörper, respektive eine Verlagerung beziehungsweise Verschiebung oder Verletzung desselben. Ich glaube aber nicht, daß wir es mit einem völlig hoffnungslosen Fall zu tun haben, denn bei Durchführung der sogenannten Queckenstedschen Probe zur Untersuchung des Liquordruckes, das heißt des Druckes der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, stellte ich keine Verstopfung des Wirbelkanals fest, was als gutes Zeichen anzusehen ist. Vielleicht wurde das Rückenmark nicht so schwer verletzt. Dann wäre der Fall nicht hoffnungslos.«
»Und was ist zu tun?« fragte Cooper hastig.
»Der Zustand des Verunglückten läßt sich meiner Meinung nach durch eine frühzeitige Druckentlastung des Rückenmarkes
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