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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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des Tages, als die malaiische Insel Penang auftauchte. Der Himmel verschwamm im Dunst, und das ölig glatte Meer atmete träge. Mit gemischten Gefühlen blickten die Passagiere auf Tausende und aber Tausende metergroßer Quallen hinab, durch die sich der Rumpf der ›Bayern‹ wie durch ein Schlammbecken zwängte.
    »Scheußlich!« sagte Gordon Cooper an Ivo Sorokin gewandt, mit dem er an der Reling stand und auf Margit Holstein wartete, die mit Patrice MacDonald den Zahlmeister hatte aufsuchen müssen, um letzte Formalitäten zu erledigen. »Mein Traum von exotischen Mädchen und dickbäuchigen Buddhas ist dahin.«
    Sorokin betrachtete ihn unauffällig von der Seite. »Exotische Mädchen gibt es in Hongkong zur Genüge.«
    »Hoffentlich!«
    »Sie brauchen nur zu wählen.«
    Cooper schnaufte wie ein Walroß, lachte dann aber über sich selbst. Sein Reagieren versetzte Sorokin in eine gehobene Stimmung. Dieser befand sich ohnehin schon in guter Laune, weil er wußte, daß er in wenigen Stunden wieder eigene Wäsche, Kleidung und Schuhe tragen würde, und er freute sich auf den Abend, an dem er im ›Eastern & Oriental‹ dem ersten Hotel Penangs, zu Ehren der beiden scheidenden Damen ein exquisites Essen geben und dabei insgeheim Coopers Trennung von Margit Holstein feiern wollte. Beständig kreisten seine Gedanken um die Deutsche, der er jedoch kein einziges Mal zu erkennen gegeben hatte, was er für sie empfand. Zu billig war es ihm erschienen, an Bord des Schiffes einen Wettkampf um ihre Gunst zu veranstalten, und eben darum befriedigte ihn Coopers Reagieren, welches ihm zeigte, daß er sich in Margit Holstein nicht getäuscht hatte.
    Seit Tagen schon spielte Ivo Sorokin mit dem Gedanken, die junge Ethnologin in Kuala Lumpur zu besuchen, in dieser Stunde aber faßte er den Entschluß, sich noch im selben Monat mit ihr zu treffen. Sie war die Frau, die er sich wünschte.
    Margit Holstein und Patrice MacDonald kehrten auf das Lido-deck zurück und stöhnten über die Hitze, die ihnen entgegenschlug. Sie hatten sich schon ›landfein‹ gemacht, was Cooper einige hämische Bemerkungen entlockte; speziell über aufgedonnerte Frisuren.
    »Jetzt ist es aber genug«, schalt ihn Margit Holstein schließlich.
    »Schau dir lieber das langgestreckte weiße Gebäude dort drüben an. Ist das ein Palais?« fragte sie an Patrice MacDonald gewandt.
    »Oah no!« antwortete die Engländerin lachend. »Das ist das Eastern & Oriental Hotel, allgemein nur ›E. & O.‹ genannt. Dort wohnen wir in den nächsten Tagen.«
    Margit Holsteins Augen glänzten voller Glück. »Ich kann es immer noch nicht fassen, das Land meiner Träume erreicht zu haben. Und das merkwürdige dabei ist, daß ich nicht das Gefühl habe, anzukommen, sondern heimzukehren. Wenn ich schon einmal gelebt habe, dann muß es in Ostasien gewesen sein.«
    Gordon Cooper klopfte ihr väterlich auf den Rücken. »Ganz ruhig bleiben. Es tut dir niemand etwas. Der liebe Buddha wird dich beschützen.«
    Sie sah ihn unwillig an. »Und wenn du dich zehnmal auf den Kopf stellst: Ich fühle mich hier zu Hause!«
    »Wahrscheinlich, weil du die Geschichte dieses Landes mit riesigen Löffeln in dich hineingeschüttet hast.«
    »Möglich, daß das nicht ohne Einfluß blieb«, erwiderte sie unbeirrt. »Es gibt aber auch Dinge, die tiefer liegen. Goethe deutet im Westöstlichen Diwan schon darauf hin, daß eine Reise in den Orient zugleich eine Reise in die Vergangenheit ist.«
    Jäh einsetzendes Poltern von Stahlplanken unterbrach das Gespräch und ließ alle zum Hinterschiff hinabblicken, wo zentnerschwere Planken von der Ladeluke fortgerollt wurden.
    »Ich hätte Lust, einen Blick in den Bauch des Schiffes zu werfen«, sagte Sorokin und fragte Cooper, ob er mitkommen wolle.
    Der schüttelte den Kopf. »Ich habe mir die Geschichte bereits in Rotterdam angesehen. Es ist unglaublich, was in so ein Schiff hineingeht. Hunderte von Autos verschwanden noch, als ich glaubte, der Laderaum sei bereits voll.«
    »Well, dann gehe ich allein«, erwiderte Ivo Sorokin und wandte sich der nach unten führenden Treppe zu.
    »Wenn ich nicht schon umgezogen wäre, würde ich Sie begleiten«, rief Margit Holstein hinter ihm her. »Aber ich schaue Ihnen zu.«
    Sorokin war es, als habe er ein Geschenk erhalten. Bei jeder Stufe, die er hinabschritt, hörte er die Worte: Aber ich schaue Ihnen zu.
    Als er das Ladedeck erreichte, zog er sein Taschentuch heraus, um seine Hände abzuwischen, die am Geländer

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