Roter Lampion
seinen schwarzsamtenen Kopfbedeckungen und eng um die Taille gewickelten Sarongs den ersten Eindruck eines fremden Landes vermittelte.
Das wäre geschafft, dachte Cooper erleichtert und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sich die Wagentür hinter ihm schloß. Dann erst wurde ihm richtig bewußt, was geschehen war. Die Vorstellung, Sorokin könnte für immer querschnittsgelähmt sein, raubte ihm fast den Atem. Er fragte sich aber auch: Was wird nun aus meinem Auftrag werden? Einen bewegungsunfähigen Menschen zu beschatten dürfte wenig Sinn haben.
Gleich darauf schossen ihm andere Gedanken durch den Kopf. Sorokin ist jetzt auf dich angewiesen, sagte er sich. Zwangsläufig wirst du nun Einblick in Dinge gewinnen, die du unter normalen Umständen nie kennengelernt hättest. Niemand in London wird auf die Idee kommen, dich abzuberufen. Deine Chancen sind gestiegen!
Cooper war ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er um die Erfüllung eines Traumes bangte, den er träumte, seit er Sorokins Privatsekretär geworden war. Im Geiste hatte er sich bereits am Steuersegment eines schnellen Reiseflugzeuges sitzen sehen.
Es kann ja noch alles gut werden, sagte er sich. Ein gelähmter Geschäftsmann braucht eher eine Privatmaschine als ein gesunder.
Im nächsten Moment schämte sich Cooper solcher Gedanken und versuchte sie fortzuschieben. Vergebens. Immer wieder drängten sich eigene Wünsche vor die Frage, welches Ergebnis Sorokins Untersuchung bringen würde. Um sich abzulenken fragte er den Medizinalrat. »Waren Sie schon einmal in Malaysia?«
Der Deutsche schüttelte den Kopf. »Nein, dies ist meine erste große Reise.«
»Dann haben Sie sich den Besuch von Penang auch anders vorgestellt, nicht wahr?«
»Das schon. Aber mir macht das nichts aus. Als Schiffsarzt habe ich freie Reise, und ich bin berechtigt, für Konsultationen ein Honorar zu verlangen. Ich werde meiner Frau somit ein hübsches Andenken mitbringen können.«
Bei ihm ist es wie bei mir, dachte Cooper ernüchtert. Jeder denkt nur an sich. Was in Margit jetzt wohl vor sich gehen mag? Ihre Freude auf Penang wird dahin sein.
Es war schlimmer. Patrice MacDonald brachte es nicht einmal fertig, Margit Holstein zum Verlassen des Schiffes zu bewegen. Sie war krank vor Sorge und wollte Coopers Rückkehr abwarten, um schnellstens Näheres über Sorokins Zustand zu erfahren. Nach zwei Stunden geduldigen Wartens aber sah sie ein, daß es keinen Sinn hatte, weiterhin an Bord zu bleiben, zumal sie das Schiff ohnehin bis zum Abend verlassen mußte. Da war es richtiger, das Hotel aufzusuchen und zu hoffen, daß Cooper dorthin kommen würde.
Margit Holstein kam sich plötzlich schutzlos vor. Sie sehnte sich nach Cooper. Sorokins Unfall war wie eine Katastrophe über sie hereingebrochen. Nie zuvor hatte sie Glück und Unglück so nahe beieinander erlebt.
Ganz anders war Patrice MacDonalds Reaktion. Im ersten Moment hatte sie das Schicksal verflucht, das einen Menschen, der zwei Mordanschläge glücklich überstanden hat, gewissermaßen über einen Strohhalm stolpern läßt. Dann aber fand sie, daß sich die Dinge für sie persönlich außerordentlich günstig entwickelten. Hatte sie in den letzten Tagen, in denen sie immer näher an Margit Holstein, Gordon Cooper und Ivo Sorokin herangerückt war, nicht oftmals gedacht: Könnte es doch ewig so bleiben! Seit ihrem vor fünfzehn Jahren erfolgten Ausstoß aus der Gesellschaft hatte sie sich nie mehr so wohl gefühlt. Sie konnte mit einem Male sogar ohne Whisky leben, da ihre Vergangenheit ihr keine Schreckensbilder mehr einjagte. Und nun verlängerte das Schicksal ihr unverhofftes Glück auf unbestimmte Zeit, denn es war ausgeschlossen, daß Sorokin seine Reise fortsetzen konnte. Und Gordon Cooper hatte sich, wie er ihr gesagt hatte, vor zwei Tagen vertraglich an ihn gebunden.
Patrice MacDonald wußte, daß egoistische Motive ihr Denken leiteten, aber sie war auch bereit, alles nur Erdenkliche für Sorokin zu tun. Notfalls wollte sie sogar seine Krankenpflegerin werden.
In ihrem Bestreben, einmal gewonnene Freundschaften nicht zu gefährden, zeigte sie nach Ankunft auf dem Swettenham-Pier sogleich Verständnis dafür, daß Margit Holstein nicht mit ihr zum Hotel fahren, sondern allein durch die Stadt gehen wollte. Sie erklärte ihr den Weg, der leicht zu beschreiben und kaum zu verfehlen war, und fuhr dann in bester Stimmung davon.
Wie in Trance und ohne ihre Umgebung richtig aufzunehmen, schritt Margit
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