Roter Lampion
war ihm verdorben, weil er sich irgendwie gemaßregelt vorkam und sich unwillkürlich an seinen Vater erinnerte, der ihm einmal erklärt hatte: Wer keine Distanz zwischen sich und dem Personal schafft, wird nie ein Herr werden!
Da redet man vom Schmelztiegel Hongkong, in Wirklichkeit aber begegnen sich die Rassen hier nur, dachte Cooper voller Auflehnung. Zusammengeschmolzen wird nichts. Vorurteile und Mißverständnisse dominieren.
Nach einer Fahrt von etwa zwanzig Minuten, während der sich der Himmel golden färbte und die Aberdeen vorgelagerte Insel Ap Lichnan im Schatten Hongkongs schon der Nacht entgegenging, hielt der Inder vor der buntbemalten Anlegestelle eines von Lotoslaternen geschmückten Sampans, über das sich im Halbbogen ein Dach aus geflochtenem Bast spannte.
Rajan stieg behende aus dem Wagen und riß die Tür zum Fond auf. »Bitte«, sagte er und wies zur Anlegestelle hinüber. »Dies Boot bringt Sie zum Restaurantschiff ›Tai-Pak‹. Mister Lo Sung ist bereits dort.«
»Woher wissen Sie das?« fragte ihn Gordon Cooper erstaunt.
Der Inder deutete auf einen Cadillac. »Sein Wagen parkt wie immer an verbotener Stelle.«
»Und die Polizei sagt nichts dazu?«
»Er sagt höchstens der Polizei etwas«, antwortete Rajan hintergründig und fügte wie entschuldigend hinzu: »Hier sind keine Briten. Nur Chinesen.«
Interessant, dachte Cooper und bat den Inder, ihm zu zeigen, wo er ihn später finden könne. Dann bestieg er das Sampan und ließ sich zu dem etwa zweihundert Meter entfernt liegenden Floatingboot bringen, dessen grellfarbige Neonlichter bereits leuchteten und sich im Wasser spiegelten.
Ein penetrant freundlich lächelnder Chinese begrüßte Gordon Cooper und geleitete ihn über eine Treppe zum Restaurant, wo er ihn zunächst zur Küche führte, neben der große Kästen im Wasser hingen, aus denen die Köche die von den Gästen gewünschten Fische herausangelten.
»Sie sehen, alles bei uns ist frisch und sauber«, bedeutete ihm der Chinese und steigerte sein Lächeln zu einer unheimlichen Fratze. »Welchen Fisch wünschen Sie? Hummer, Kingprawns, Pomfrets, Garoupas…?«
»Danke, danke«, wehrte Cooper hastig ab. »Ich bin verabredet und möchte die Auswahl meinem Bekannten überlassen.«
Das Gesicht des Chinesen entspannte sich. »Hah, erwartet Sie womöglich Mister Lo Sung?«
Gordon Cooper nickte. »Sie vermuten richtig.«
»Hah, dann werde ich Sie gleich zu ihm führen.«
Vorbei an Tischen, an denen eifrig Mahjong gespielt wurde, gelangte Gordon Cooper in einen großen Raum, in dem Lo Sung saß, der sich sofort erhob und ihm mit schnellen Schritten entgegenging, als er ihn kommen sah. Sein schwabbeliges Gesicht glänzte, als wäre es eingeölt.
»Ich mich sehr freuen, Sie zu sehen«, sagte er lebhaft kichernd, doch schon im nächsten Moment setzte er eine todtraurige Miene auf. »Leider ich muß aussprechen große Bitte. Wichtiger Besuch ist zu Hause gekommen. Ganz unangemeldet. Würden Sie verstehen, wenn wir essen gleich und ich gehen um neun Uhr?«
Cooper unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung und erwiderte, daß er im Grunde genommen froh sei, wenn er zeitig ins Bett komme, da ihn der Tag sehr angestrengt habe.
»Dann ich erleichtert und werde bestellen. Was Sie wünschen?«
»Das überlasse ich ganz Ihnen«, antwortete Cooper verbindlich. »Überraschen Sie mich mit einer Spezialität Ihrer Heimat.«
Seine Worte erfüllten Lo Sung mit Befriedigung, und Sekunden später prallte ein Schwall von Worten wie ein Maschinengewehrfeuer auf den Geschäftsführer ein, der sich viele Male verneigte und mit hastigen Schritten davoneilte.
»Und nun Sie mir müssen erzählen ausführlich von Mister Sorokin«, wandte Lo Sung sich an Gordon Cooper. »Wie ist gekommen Unglück? Und was war mit Explosion auf Schiff?«
Cooper berichtete, wie es zu Sorokins Verletzung kam, seine Gedanken aber waren kaum bei der Sache, weil er sich erinnerte, daß Ivo Sorokin ihm gesagt hatte, er habe, um Ah Boon nicht unnötig zu beunruhigen, am Telefon nicht über die Mordanschläge gesprochen. Woher konnte Lo Sung also etwas von der Explosion auf dem Schiff wissen? Diese Frage ließ Cooper nicht mehr los, und als er die Ereignisse in Penang geschildert hatte, fragte er den Chinesen unvermittelt: »Woher wissen Sie eigentlich von dem Attentatsversuch?«
Lo Sung stutzte. Seine Wangen hingen jäh schlaff herab. »Woher?« stammelte er. »Woher? Ich nicht mehr weiß. Onkel Ah Boon wird mir haben
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