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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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wirklich nicht verstehen«, antwortete Su-su lachend. »Der Hausgeist, hätte ich sagen müssen. Normalerweise ist er gut, er kann aber auch sehr, sehr böse werden, und dann…«
    »Sie glauben an Geister?« unterbrach Cooper sie schroff. Zu absurd erschien es ihm, daß ein Mensch, der die Liebe von einer geradezu unverständlich nüchternen Seite betrachtet, an Geister und den dazugehörigen Hokuspokus glaubt.
    »Natürlich!« antwortete sie mit ernster Miene.
    Er schlug die Hände zusammen. »Ist denn das die Möglichkeit!«
    »Was?«
    »Daß Sie an Geister glauben.« Der Ausdruck ihres Gesichts wurde streng und verlor alles Puppenhafte. »Darf ich ein paar Fragen an Sie richten?«
    »Bitte.«
    »Sind Sie Christ?«
    »Ja.«
    »Sie glauben also an Gottvater, Gottsohn und den Heiligen Geist.«
    »Gewiß.«
    »Was würden Sie nun sagen, wenn ich, die ich nicht an diese göttlichen Wesen glaube, weil ich in einem anderen Sinne erzogen und groß geworden bin, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und mich über Ihren Glauben lustig machen würde?«
    »Pardon, das war nicht meine Absicht«, erklärte Cooper betroffen.
    »Dann wollen wir das Thema vergessen«, erwiderte sie sichtlich erleichtert. »Und damit möchte ich mich auch gleich von Ihnen verabschieden. Mein Freund wird doch nicht mehr kommen.«
    Gordon Cooper war die Laune verdorben. Unabhängig davon spürte er, daß es keinen Sinn hatte, Su-su umzustimmen. Er bot ihr jedoch an, sie im Wagen nach Hause zu bringen, was sie dankbar akzeptierte, und so kam es, daß er bald darauf mit ihr durch eine monderhellte Nacht fuhr, die beiden klarmachte, wie dumm sie sich benommen hatten. Dennoch wagte er es nicht, ein neues Treffen vorzuschlagen, als sie ein in der Repulse Bay gelegenes modernes Apartmenthaus erreichten, in dem Su-su wohnte. Sie trennten sich so plötzlich, wie sie sich kennengelernt hatten, und in den darauffolgenden Minuten kam Cooper nicht einmal dazu, über die ihn doch sehr bewegende kleine Chinesin nachzudenken. Denn als er wieder in den Wagen einsteigen wollte, sagte ihm der indische Fahrer:
    »Wenn Sie es wünschen, können Sie jetzt vorne Platz nehmen. In der Dunkelheit sieht uns niemand, und das Hauspersonal schläft um diese Zeit schon.«
    Wie gnädig, dachte Cooper belustigt und setzte sich zu dem Inder. Dann aber wurde ihm klar, daß sich das Denken aller Menschen, mit denen er an diesem Tage zusammengetroffen war, auf völlig unterschiedlichen Ebenen bewegte. »Wie werden Sie eigentlich mit den Chinesen fertig?« fragte er Rajan, als dieser angefahren war.
    »Gut«, antwortete der Inder ohne jeden Vorbehalt. »Als Sikh bin ich zur Toleranz erzogen. Es gibt deshalb keine Schwierigkeiten für mich.«
    »Und warum legen Sie Wert darauf, Ihr Gesicht nicht zu verlieren? Das ist doch nicht indisch gedacht.«
    »Gewiß nicht. Aber es hat etwas mit Toleranz zu tun. Das chinesische Hauspersonal würde sich gekränkt fühlen, wenn ich verliere, was man hier ›Gesicht‹ nennt. Also sorge ich dafür, daß in meinem Bereich nichts geschieht, was meinen Kollegen und Kolleginnen Kummer bereiten könnte.«
    Gordon Cooper nickte anerkennend. »Das ist sehr edel gedacht.«
    »Vernünftig, würde ich sagen«, widersprach der Inder. »Ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes, und ich möchte mir, so paradox das klingen mag, aus diesem Grunde auch erlauben, Ihnen zu raten, bei Mister Lo Sung vorsichtig zu sein.«
    »Warum?« fragte Cooper verblüfft.
    »Er mag Sie nicht.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Nein.«
    »Und woher wissen Sie es?«
    »Ich habe es in seinen Augen gesehen.«
    Gordon Cooper lachte. »Gewisse Gefühlsregungen sind sicherlich an unseren Augen abzulesen, aber man kann doch nicht erkennen, ob ein Mensch einen anderen mag oder nicht.«
    »Möglich, daß Sie recht haben, Sir«, entgegnete der Fahrer. »Dennoch möchte ich unsere Augen mit der Rinde von Bäumen vergleichen, der untrüglich anzusehen ist, mit welcher Baumart wir es zu tun haben. Mister Lo Sung mag Sie nicht, und ich sage Ihnen dies, weil Sie Mister Sorokins Vertrauter sind.«
    Cooper fühlte sich mit einem Male nicht mehr wohl in seiner Haut. Hatte er nicht vom ersten Augenblick an eine starke Abneigung gegen Lo Sung verspürt? Wenn der Chinese…
    Ein phantastischer Gedanke schoß ihm durch den Kopf. Bestand nicht die Möglichkeit, daß Su-su im Auftrage Lo Sungs handelte? Konnte nicht alles ein abgekartetes Spiel sein? Blitzschnell ließ er die Stationen des Tages

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