Roter Lampion
erzählt wahrscheinlich. Macht nichts.«
O doch, dachte Gordon Cooper und bemühte sich, seine Erregung zu verbergen. Mir macht das sogar sehr viel aus. Er verriet sich aber nicht, sondern schüttelte den Kopf und entgegnete lachend: »Dann muß Mister Sorokin mit Ihrem Onkel darüber gesprochen haben. Zunächst wollte er die Geschichte verschweigen, um Mister Ah Boon nicht zu beunruhigen.«
»Nein, ich doch nicht habe erfahren von mein Onkel«, erklärte Lo Sung, nachdem er sekundenlang angespannt dagesessen hatte. »Ich weiß jetzt: auf Schiff mir erzählt wurde.«
Cooper war verblüfft. »Auf welchem Schiff?«
»Wie hieß deutsche Schiff?«
»Meinen Sie die ›Bayern‹?«
»Ja, ›Bayern‹! Ich habe besucht Schiff als ankam in Hongkong. Habe gefragt nach Unfall. Dann man mir auch hat erzählt von Mordanschlag.«
Gordon Cooper war es, als würde ihm etwas aus der Hand genommen. Eben noch hatte er gehofft, eine zwischen Lim Swee Long und Lo Sung bestehende Verbindung entdeckt zu haben, und nun löste sich seine Kombination in Wohlgefallen auf. An die Möglichkeit, daß der Chinese im Bruchteil einer Sekunde eine absolut plausible Erklärung gefunden haben könnte, wollte er nicht glauben.
Das Erscheinen von drei Kellnern, die eine große Anzahl von Schüsseln brachten, riß Cooper aus seinen Gedanken. »Du lieber Gott«, stöhnte er besorgt. »Sollen wir das etwa alles essen?«
»Warum nicht?« erwiderte Lo Sung und strahlte über das ganze Gesicht. »Chinesische Küche sehr leicht. Nicht wie europäische. Darum man viel kann essen.«
Angesichts der aufgetischten Gerichte traute Cooper der Behauptung nicht so recht. Vor ihm standen geröstete und in Sirup gedünstete King-Prawns, Hummer in einer roten Gewürzsauce, Taschenkrebse mit Hühnerfleisch gemischt, Schweinefleisch süßsauer zubereitet, in Honig getränkte Pilze, verschiedene Gemüseschüsseln und aus Reismehl hergestellte Glasnudeln. Dazu wurde warmer Wein serviert.
Lo Sung empfahl Cooper, als erstes King-prawns mit Schweinefleisch und süßen Pilzen zu nehmen, doch als er sah, daß Cooper mit den Eßstäbchen nicht zurechtkam, legte er ihm die Speisen mit seinen Stäbchen vor und sagte dabei beinahe väterlich: »Bitte, ruhig sich bedienen mit Gabel.« Damit forderte er einen Kellner auf, ein Eßbesteck zu bringen, und legte Cooper noch das Fleisch einer Hummerschere auf. »Essen Ihnen soll schmecken und nicht bereiten Schwierigkeit.«
Sein warmer Tonfall überraschte Cooper, und er erwiderte erleichtert: »Jetzt fühle ich mich schon wohler.«
Es dauerte nicht lange, da gerieten sie in eine beinahe ausgelassene Stimmung. Der Reiswein tat seine Wirkung, und die Gerichte mundeten Cooper so gut, daß er sich nicht mehr fragte, ob die Schüsseln leer werden würden. Aber noch bevor das Essen beendet war, stutzte er plötzlich und blickte wie gebannt zu einer zarten Chinesin hinüber, die dem Ausgang zustrebte. Sie trug ein opalisierendes Seidenkleid im Shanghaistil, das sich eng um ihren schlanken Körper legte und bei jeder Bewegung ein buntes Feuerwerk versprühte. An den Seiten war das Kleid bis über die Knie hinauf geschlitzt, und aus seinem hohen Kragen wuchs ein schlanker Hals mit einem Köpfchen, das aus Elfenbein geschnitzt zu sein schien. »Das ist doch unsere Hostess!« entfuhr es ihm.
Die hübsche Chinesin kam näher und machte nicht den Eindruck, als suche sie jemanden.
»Sollen wir sie bitten an unseren Tisch?« raunte Lo Sung hastig.
»Wenn es geht.«
»Natürlich. Aber ich gleich muß fort«, erwiderte der Chinese und erhob sich, um seine Landsmännin zu begrüßen. »Hallo…!« rief er ihr entgegen und wischte sich mit einem Tuch über das Gesicht. »Daß wir Sie sehen heute zweimal, ist große Zufall. Ihr Freund nicht gekommen?«
Sie senkte ihr Gesicht und schaute unsicher zu Gordon Cooper hinüber. »Es muß etwas passiert sein. Wir waren für sieben Uhr verabredet. Nun ist es gleich neun. Ich will deshalb gehen.«
Cooper erhob sich. »Ohne zu essen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Oh, nein. Ich habe gespeist.«
»Ich wage dennoch zu wiederholen, was ich Ihnen heute nachmittag bereits sagte«, entgegnete Cooper und deutete eine Verneigung an. »Ich würde mich glücklich schätzen, wenn Sie meine Tischdame wären. Bitte, leisten Sie uns Gesellschaft. Zumal durchaus die Möglichkeit besteht, daß Ihr Freund noch erscheint. Fährt er einen Wagen?«
»Ja.«
»Dann hat er wahrscheinlich eine Panne und kommt
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