Roter Lampion
Kuala Lumpur weiterfliegen.
»Mir schwirrt der Schädel«, sagte er zu Lo Sung, als er mit ihm im Wagen Platz genommen hatte. »Ich habe im Büro nicht einmal die Akten eingeschlossen.«
»Das erledige ich schon für Sie«, beruhigte ihn der Chinese.
Gordon Cooper begriff Ivo Sorokin nicht mehr. Er hatte kein Verständnis für dessen Reagieren, und er fand keine Entschuldigung für ihn, bis er sich vergegenwärtigte, was es heißen muß, von heute auf morgen gelähmt und dabei im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu sein. Dann aber weilten seine Gedanken nicht mehr bei Sorokin, sondern bei Su-su, die er an diesem Tage noch nicht angerufen hatte. Er hoffte, sie am Flughafen zu sprechen, traf sie jedoch nicht an, da sie gerade mit einem Auftrag in die Stadt geschickt worden war. Er schrieb ihr deshalb einige Zeilen, die er einer ihrer Kolleginnen anvertraute, und dann war es auch schon höchste Zeit für ihn, sich bei der Abfertigungsstelle zu melden.
13
Wenn man den Verlauf bestimmter Ereignisse im nachhinein betrachtet, entdeckt man manchmal Zufälligkeiten, die schicksalshaft miteinander verknüpft zu sein scheinen. So war es gewiß ein Zufall, daß Lee Akira und Gordon Cooper, die sich im Flughafenrestaurant von Kuala Lumpur erstmalig gegenüber gesessen hatten, etliche Wochen später fast zur gleichen Stunde wieder der malaysischen Metropole entgegenstrebten. Hinter diesem Zufall aber webte das Schicksal bereits seine ersten Fäden.
Während Gordon Cooper sich in der von Hongkong nach Singapore fliegenden Verkehrsmaschine wie ein passionierter Porschefahrer in einem Omnibus fühlte, genoß Lee Akira das Beschleunigungsvermögen seines Jaguar-Sportwagens, mit dem er von Ipoh nach Kuala Lumpur raste, um in seinem dortigen Verwaltungsbüro die letzte Phase zur Vernichtung von Patrice MacDonald einzuleiten. Er jagte gerade durch eine mit Reis, Zuckerrohr, Kaffee, Tee, Kakao, Tabak, Tapioka und Ananas bebaute fruchtbare Ebene, als er plötzlich ein Mercedes-Kabriolett mit zurückgeschlagenem Verdeck vor sich entdeckte. Sofort setzte er zum ›Angriff‹ an. Nichts machte ihn so nervös wie ein Konkurrent auf der Straße. Je näher er jedoch kam, um so mehr wurde die Geschwindigkeit des vor ihm liegenden Wagens erhöht. Er sah, daß ihn der eine Kopfhaube und dunkle Brille tragende Fahrer im Rückspiegel beobachtete, und da er wußte, daß er sich einem kurvenreichen Streckenabschnitt näherte, an den sich enge Serpentinen anschlossen, setzte er alles daran, das Kabriolett schnellstens zu überholen. Doch immer wenn er bis auf wenige Meter herangerückt war, zwang ihn eine Kurve oder ein jäh auftauchendes Hindernis, den Fuß vom Gashebel zu nehmen. Einige Male wurde er aber auch vom Wagemut und Können des anderen Fahrers, der beachtliche Kurven mit unverminderter Geschwindigkeit durchraste, auf den zweiten Platz verwiesen. Das war ihm noch nicht passiert, und da sich in den Serpentinen ohnehin keine Überholmöglichkeit mehr bot, verlegte er sich auf eine Zermürbungstaktik. Er setzte sich unmittelbar hinter den Mercedes, scherte dann kurz vor Eintritt in eine Kurve plötzlich seitlich aus, als wollte er einen Überraschungsangriff starten, tat aber nichts dergleichen.
Der vor ihm dahinrasende Fahrer ließ sich nicht beirren, sondern leitete ein Abwehrmanöver ein. Ohne den Fuß vom Gashebel zu nehmen, tippte er in unerwarteten Augenblicken gerade so weit auf das Bremspedal, daß die rückwärtigen Warnlichter aufflammten, die Bremse selbst jedoch noch keine Wirkung zeigte. Der Erfolg blieb nicht aus: Lee Akira trat beim Aufleuchten der roten Rücklichter sofort auf die Bremse und fiel zwangsläufig jedesmal um etliche Meter zurück.
Beide Fahrer wußten, daß es Wahnsinn war, was sie machten, keiner aber wollte nachgeben. Zu allem Übel erkannte Lee Akira dann auch noch an einer Haarsträhne, die mehr und mehr aus der Kopfhaube des vor ihm dahinjagenden Fahrers herauswehte, daß er nicht gegen einen Mann, sondern gegen eine Frau ankämpfte. Von diesem Moment an fieberte er wie ein Rennpferd. Er konnte das Ende der Serpentinen kaum noch erwarten, und als es endlich soweit war, daß eine gerade Straße vor ihm lag, da gab er Vollgas und schoß an dem Mercedes vorbei. Dabei schaute er im Augenblick des Überholens wie triumphierend zur Seite und blickte in ein Gesicht, das sich wie Feuer in sein Hirn eingeprägt hatte. Patrice Lawrence, alias MacDonald, jagte neben ihm dahin. Den Bruchteil einer
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