Roter Lampion
und tauchte die Baumkronen des Dschungels in flammendes Rot, als der Pilot der von Gordon Cooper benutzten Abendmaschine die Gashebel zurücknahm und zur Landung in Kuala Lumpur ansetzte.
Im Gegensatz zum Flug nach Hongkong, den Cooper in all seinen Phasen begierig verfolgt hatte, war der Rückflug für ihn zur Tortur geworden. Ihm graute vor dem Zusammentreffen mit Ivo Sorokin, und da er wußte, daß Margit Holstein sich des Abends zumeist bis neun Uhr bei ihm aufhielt, überlegte er unschlüssig, ob er Sorokin vor oder nach neun Uhr aufsuchen sollte. Wenn er sich beeilte, traf er Margit Holstein noch an, was vorteilhaft sein konnte, ihn unter Umständen aber auch in die peinliche Lage brachte, vor ihr einige Grobheiten hinnehmen zu müssen. Er kam zu keinem rechten Ergebnis, bis er in ein Taxi einstieg und dem Fahrer, ohne es eigentlich zu wollen, den Auftrag erteilte, auf direktem Wege zur Universitätsklinik zu fahren. Was diesen plötzlichen Entschluß herbeiführte, wußte er nicht, er spürte aber, daß im selben Augenblick der Druck von ihm wich, der während des ganzen Fluges wie ein Stein auf ihm gelastet hatte.
Gordon Cooper versuchte vergeblich die Ursache dieses jähen Wandels seiner Gemütsverfassung zu ergründen. Er fühlte sich wie jemand, der nach einer anstrengenden Wanderung seine schweißverklebte Kleidung von sich streift und ein erfrischendes Bad nimmt. War die Luft in Malaysia anders als in Hongkong? Er glaubte es beinahe. Zumindest ließ sich der eigenartige und undefinierbar würzige Geruch der südostasiatischen Halbinsel nicht mit den Ausdünstungen der britischen Kronkolonie vergleichen.
Es war knapp vor neun Uhr, als Cooper das Krankenhaus erreichte und den Fahrer beauftragte, auf ihn zu warten.
Die Pförtnerin sah ihn kommen und drückte sogleich auf den Türöffner.
»Ist Miß Holstein noch oben?« erkundigte er sich, nachdem er der hübschen Malaiin zur Begrüßung einige Artigkeiten gesagt hatte.
»Trotz Protestes der Nachtschwester!« antwortete sie lachend. »Sie werden übrigens bereits erwartet. Der Chefarzt persönlich gab die Weisung, Sie heute zu jeder Zeit einzulassen.«
»Danke!« erwiderte Gordon Cooper und warf der Pförtnerin einen Handkuß zu. Er konnte das Flirten nun einmal nicht lassen.
Als er wenige Minuten später in Ivo Sorokins Zimmer eintrat, ging ihm Margit Holstein, die neben dem Bett in einem bequemen Sessel gesessen hatte, mit schnellen Schritten entgegen.
»Herzlich willkommen!« begrüßte sie ihn sichtlich bewegt und reichte ihm die Hand.
»Herzlichen Dank!« erwiderte er und blickte besorgt in ihr Gesicht, das schmal geworden war und alle Bräune verloren hatte. Er wollte ihr noch ein paar verbindliche Worte sagen, spürte aber, daß Sorokin ihn durchdringend musterte. »Entschuldige mich«, sagte er ihr deshalb und wandte sich dem Kranken zu, der sich erschreckend verändert hatte. Seine Augen waren eingesunken und lagen in dunklen Höhlen, seine Haut wirkte durchsichtig und schimmerte grün, seine blutlosen Lippen hatten weiße Ränder, und seine Hände schienen nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Mitleid erfaßte Cooper. Im Bruchteil einer Sekunde wußte er, daß er Sorokin nichts, aber auch gar nichts verübeln durfte. Er hatte vorgehabt, sich provozierend ›Zur Stelle‹ zu melden, nun aber trat er betroffen an das Bett heran und verneigte sich stumm, als Ivo Sorokin ihm weder die Hand reichte noch irgend etwas tat oder sagte, um ihn zu begrüßen.
Margit Holstein schaute ängstlich von einem zum andern, da sie fühlte, daß die Atmosphäre wie mit Elektrizität geladen war.
Gordon Cooper sah es, und er hatte sie am liebsten in die Arme geschlossen. Sorokins Leid macht sie zu seiner Sklavin, schoß es ihm durch den Kopf.
»Nimm Platz«, forderte sie ihn mit warmer Stimme auf. »Hattest du einen guten Flug?«
»Das interessiert jetzt nicht!« wies Sorokin sie ungebührlich zurecht.
»Doch!« erwiderte sie empört. »Wenn Sie es nicht für notwendig erachten, Ihren Gast zu begrüßen, dann übernehme ich die Aufgabe.«
Cooper gewahrte, daß Sorokin wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte. »Würdest du uns, bitte, für einen Augenblick allein lassen«, wandte er sich an Margit Holstein.
Sein Wunsch schien sie zu verwirren, denn sie schaute ihn ratlos an.
»So oder so ist in ein paar Minuten alles geklärt«, fügte Cooper einer jähen Eingebung folgend hinzu, um Ivo Sorokin unsicher zu machen. Er dachte dabei keineswegs
Weitere Kostenlose Bücher