Roter Regen
sich an die Seite der Kammer gedrückt. Dann
hatte er den Getroffenen gemimt, um Anna Popescu zu täuschen. Es war ihm auch
gelungen, wenigstens so weit, dass er sein Leben gerettet hatte. Seine Ehre als
Mann und Polizist würde er allerdings erst wiedererlangen, wenn er diese
Schlange in Handschellen dem Kadi übergeben würde. Er rappelte sich auf und
hetzte der Flüchtigen hinterher.
Belledin sah noch, wie sie stadtauswärts abbog. Er sprang in seinen
Wagen, doch schon nach wenigen Metern fluchte er auf das wabbelige Geräusch,
das von vorne rechts ertönte. Sie hatte ihm einen Reifen aufgeschlitzt. Er fuhr
den Audi an den Rand und orderte umgehend eine Streife. Außerdem gab er durch,
dass die mutmaßliche Täterin helmlos auf einer roten Ducati der Dreisam entlang
stadtauswärts zu fliehen gedachte.
* * *
Anna hatte es nicht eilig. Sie fuhr gemächlich einmal um den Block,
stellte die Ducati an der Rückseite der Villa ab und stieg dann in einen
dunkelblauen A-Klasse-Wagen. Sie überlegte kurz, ob sie damit an Belledin
vorbeifahren sollte, während dieser auf seine Streife wartete; aber noch war
keine Zeit zum Feiern.
Sie warf einen Blick auf die Rückseite des Fotos und studierte die
drei Zahlenreihen. Dann fluchte sie und warf das Foto wütend auf den
Beifahrersitz. Sie dachte kurz nach und stieß auf eine Möglichkeit, die ihr
bislang nicht in den Sinn gekommen war. Sie startete den Wagen und fuhr los.
* * *
>Wagner schüttelte sich. »Besoffene fallen wie Tiere«, kicherte er.
»Sie landen immer auf den Pfoten.« Er hatte sich tatsächlich weder etwas
gebrochen noch verstaucht. Seinen Durst hatte er vergessen. Jetzt beschäftigte
ihn, wie er aus dem Schacht wieder nach oben kommen sollte. Er konnte die
Kollegen zu Hilfe rufen. Aber das war ihm peinlich. Was sollte er ihnen sagen?
Etwa dass er wegen eines höllischen Brands auf der Suche nach Wasser in eine
Grube gefallen war? Er würde zum Gespött der Kripo werden, landesweit. Nein,
das ging auf gar keinen Fall. Also suchte er nach irgendetwas, das ihm Halt
geben konnte, um nach oben zu gelangen. Aber der Löß bröselte unter seinen
Fingern weg.
Hatte er sich verhört? Oder hatte da eben jemand gehustet? Wagner
hielt die Luft an und lauschte. Erneut vernahm er das Husten. Aber es kam nicht
von oben. Jetzt erst bemerkte er, dass vom Schacht weg ein Tunnel ins
Berginnere führte. Man konnte darin nur gebückt gehen. Wagner zögerte, dann
entschied er sich, den Tunnel als Möglichkeit zu sehen, aus dem Schacht
herauszukommen.
Er tastete sich in den Eingang des Tunnels und bemühte sich, dabei
so leise wie möglich zu sein. Vielleicht war es ein kranker Fuchs, der
röchelte? Wagner zog für alle Fälle seine Dienstwaffe und entsicherte sie. Dann
schritt er vorsichtig weiter. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die
Dunkelheit. Endlich mündete der Tunnel in ein Gewölbe, in dem Kerzenlicht
schimmerte. Im Schein der Kerze kauerte eine Gestalt auf einer Koje und
hustete. Wagner kniff die Augen zusammen und erkannte sie: Es war Margit Brenn.
Sofort schoss ihm das Adrenalin durch die Blutbahnen und versorgten
seinen Organismus mit Extrakräften. Er richtete sich auf und legte die Pistole
an.
»Polizei! Hände hoch! Und leisten Sie keinen Widerstand!«
Margit schreckte hoch und starrte auf die Gestalt im flackernden
Kerzenschein, die eine Waffe auf sie gerichtet hatte. Es war nicht Belledin,
den hätte sie an der brummigen Stimme erkannt. Erneut musste sie husten.
Wagner wiederholte seinen Befehl, und Margit gehorchte.
»Stehen Sie auf! Hände über den Kopf! Mit dem Rücken zu mir!«
Margit tat auch dies. Wagner kam vorsichtig näher. Er nestelte an
seiner Gesäßtasche und kramte umständlich die Handschellen hervor. Plötzlich
wirbelte Margit herum und warf ihm eine Ladung Löß ins Gesicht. Kurz darauf
spürte er einen kräftigen Tritt in die Hoden und sackte zusammen.
Margit floh aus dem Gewölbe und tastete sich durch die Dunkelheit
zum Eingang. Sie stieß die Holztür auf, riss den Efeu zur Seite und hetzte den
Hohlweg nach oben.
Wagner hatte bereits sein Handy gezückt und Verstärkung angefordert.
»Mutmaßliche Täterin flieht in Richtung Totenkopf.« Der Totenkopf war die
höchste Erhebung des Kaiserstuhls, und bis zur Spitze zog es sich noch gute
drei Kilometer bergauf. Wagner verspürte wenig Lust, dort hochzukraxeln. Aber
er gab sich einen Ruck und nahm die Verfolgung auf.
* * *
Killian hatte nicht nur die Adresse von
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