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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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weit, und die Maschen waren eng. Da war es
nicht einfach, hindurchzuschlüpfen, nur weil man plötzlich sein eigenes Leben
besitzen wollte.
    Der Kutscher hätte nun trotzdem zugestochen, aber die Professorin behielt die Ruhe. »Es ist mein Vater«,
sagte sie in Richtung Belledin. »Und es wäre besser, er würde dich hier nicht
sehen. Er ist sehr altmodisch.«
    Belledin war sofort wach. Rasch sprang er in seine Hose und griff
nach der Jacke, während Maria Bava sich einen Bademantel überzog.
    »Komm hier rein. Er bleibt sicher nicht lange.« Sie öffnete eine
Besenkammer, in der Belledin hastig verschwand, dann schloss sie die Tür hinter
ihm und verriegelte sie obendrein.
    Sie wischte sich noch rasch die Schminke ab und wuschelte sich durch
das Haar, dann öffnete sie nach erneutem Läuten die Tür und lächelte Lupescu
strahlend an. Dieser zog sein Bein leicht nach, sodass der Kies unter seinem
Schritt mal knirschte, mal schnarrte. Er war sicherlich nicht alleine, im Auto
warteten bestimmt seine Gorillas.
    Auch Lupescu lächelte. Aber sein Lächeln war nicht so gut gespielt,
es fröstelte. Es war ein Lächeln, bei dem nur die Mundwinkel mitspielten,
während die Augen sich verweigerten. Anna wusste, dass sie in Verzug war, denn
es gab schon drei Leichen, und das konnte er ihr vorwerfen. Nicht dass Lupescu
ein Menschenleben etwas wert gewesen wäre, aber es handelte sich um eine
diskrete Angelegenheit, da störten unnötige Morde, die Wellen schlugen.
    Lupescu ging an ihr vorbei in die Wohnung, und Anna schloss die Tür
hinter ihm. Sie war nervöser als sonst. Es war nicht der erste Auftrag, den sie
für Lupescu zu erledigen hatte, aber bislang war er nur beim allerersten vor
Ort aufgetaucht. Anna erinnerte sich gut daran, wie Lupescu dann selbst die
Schmutzarbeit erledigt und die Schergen des türkischen Geheimdiensts, die sich
an ihre Fersen gebissen hatten, in einen Hinterhalt gelockt und ausradiert
hatte. Mittlerweile war es aber schon die vierundzwanzigste große Partie, die
sie für Lupescu ausspielte, und erst jetzt machte er sich wieder die Mühe,
selbst auf dem Feld zu erscheinen.
    Anna fuhr sich durch die Haare. »Entschuldige, ich habe einen
kleinen Mittagsschlaf gemacht.«
    Lupescu schwieg und wartete, dass Anna zur Sache kam.
    »Willst du etwas trinken?«, versuchte sie die Atmosphäre etwas
aufzulockern.
    Lupescu schüttelte den Kopf. »Hast du es?«, fragte er endlich.
    »Fast«, antwortete Anna.
    Lupescu hob eine Braue, dann lächelte er, sodass sein goldener
Backenzahn in der rechten oberen Zahnleiste blitzte. Bei dem Geld, das er
besaß, hätte er sich längst unauffälliges Keramik oder Kunststoff implantieren
lassen können, aber für ihn war es ein Zeichen der Roma-Tradition. Er stand ebenso
zu seiner armen Herkunft wie zu der deutschen Verwandtschaft. Er hatte den
Spagat zwischen beiden Lebensarten gemeistert, selbst wenn sich in ihm die
Geister häufig zankten. Jetzt aber waren sich beide Seiten in ihm einig: Das
Geschäft lahmte, der große Coup drohte zu platzen.
    »Jemand hat im Mossad-Archiv Informationen über mich angefordert.
Ein Kriegsfotograf. Er lebt hier. Killian heißt er, kennst du ihn?«
    Anna schüttelte überrascht den Kopf. Dass Lupescu in vielen
Geheimdiensten hochbezahlte Maulwürfe sitzen hatte, wusste sie. Wie sonst hätte
er so lange überleben können. Aber dass hier vor Ort jemand in sehr gutem
Kontakt zum Mossad stand, der in Lupescus Vita schnüffelte, überraschte sie.
    »Wenn er im Zusammenhang mit dem Regenmacher auf mich kam, dann muss
er auch von dir wissen. Und du weißt, was das heißt.«
    Anna wusste nur zu gut, was das bedeutete. Zwar bestand eine
familiäre Beziehung zwischen ihr und Lupescu, aber die direkte Linie zwischen
ihr zu ihm war lebensgefährlich. Wenn man über sie an Lupescu herankam,
bedeutete es für sie den sicheren Tod. Ihr Schachhirn begann zu arbeiten:
Wollte Lupescu es selbst machen? War er deswegen hier? Zückte er gleich seine
geliebte kleine Joniskeit P-Combat mit Schalldämpfer? Sie wettete darauf, dass
er sie bereits entsichert in seinem dünnen Trenchcoat trug. Aber Anna hatte
noch einen Trumpf: die Liste mit den Codes.
    »Noch einen Tag, dann habe ich die Liste, und der Deal ist
gelaufen«, sagte sie so kühl und ruhig sie es vermochte.
    »Wäre ich hier, wenn ich der Ansicht wäre, die Angelegenheit könnte
noch einen Tag warten?«
    Anna schüttelte den Kopf. »Heute Abend hast du die Liste«,
versicherte sie.
    Lupescu zeigte

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