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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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wieder seinen Goldzahn. Sein Lächeln glich dem eines
Schimpansen, der damit sein Aggressionspotenzial andeuten wollte – und es
gelang ihm stets, dass man es ernst nahm. »Gut. Heute Abend.«
    »Wir treffen uns am besten bei Bader, im Flesh&Blood. Ich stecke
die Liste in das Buch über die Filme von Mario Bava«, schlug Anna vor.
    Lupescu überlegte einen Moment. Bader gehörte zur Organisation. Ihm
konnte man vertrauen. Aber er war sich nicht mehr sicher, wie weit er sich noch
auf Anna verlassen konnte. Sie hatte nicht mehr den Biss, den sie früher an den
Tag gelegt hatte. Er glaubte etwas Müdes und Trauriges in ihren blauen Augen zu
entdecken. Aber er konnte sich auch täuschen. Sie hatte viel für ihn zu
erledigen gehabt in letzter Zeit, vielleicht brauchte sie auch einfach nur eine
Pause.
    »Ich werde um einundzwanzig Uhr da sein.«
    Damit drehte er sich um und hinkte zur Tür. An der Tür sah er sie
noch einmal an. »Und denk nicht zu viele Züge im Voraus. Da vergisst man leicht
den Augenblick.« Er öffnete die Tür und verschwand auf dem Kiesweg. Anna hörte
noch, wie sich der eigentümliche Rhythmus seiner Schritte entfernte. Dann
lauschte sie dem Zuschlagen einer Autotür und dem startenden Motor.
    In Annas Hirn schossen Züge und Gegenzüge über das Schlachtfeld, auf
dem sie sich befand. Sie würde weder davon ablassen, unzählige Züge im Voraus
zu denken, noch würde sie den Moment vergessen. Sie war geschult, und es gab
keinen Tag, an dem sie ihr Hirn diesbezüglich vernachlässigt hatte. Sie änderte
ihre Strategie. Wollte sie den Kommissar zuvor noch während seiner Geilheit
erstechen, wie sie es sich als Mädchen oft gewünscht hatte, wenn Typen wie er
auf ihr saßen, so entschied sie sich jetzt für ihren gewohnten schlichten
Schuss zwischen die Augen. Aber erst musste sie alles für ihr Verschwinden
vorbereiten. Sie ging ins Badezimmer, um aus der lackledernen Kluft zu steigen
und sich für eine lange Reise als Anna Popescu zu wappnen.
    Der Empfang in der Besenkammer war schwach, aber er war ausreichend,
um Killians Nachricht auf der Mailbox abzuhören. Belledin war alles andere als
amüsiert über den Inhalt der Botschaft. Wenn Belledin richtig verstanden hatte,
war Anke Brückner nicht Anke Brückner und auch nicht Maria Bava, sondern Anna
Popescu, eine promovierte Physikerin, die in ihrer Abschlussarbeit über die
Möglichkeiten des Regenmachens spekuliert hatte. Und Belledin hockte eingeschlossen
in ihrer Besenkammer wie ein Liebhaber in einem Harald-Juhnke-Sketch. Und jetzt
schwand auch noch der Empfang. Belledin fluchte. Es war ihm ohnehin ein Rätsel,
wie diese kabellosen Telefonate funktionierten. Er nahm es als gegeben hin,
aber wenn es ihm genommen wurde, haderte er mit dem technischen Wahnsinn.
    Die Regenmacherei war ein weiterer Wahnsinn, und die Frau, in die er
sich verliebt hatte, schien ihm verfallen zu sein; jedenfalls verstand er bei
ihr überhaupt nichts mehr. Warum spielte sie so viele Rollen? Diese Frage war
simpel zu beantworten: Weil sie etwas zu verbergen hatte!
    Er hielt sein Handy in alle Ecken der Besenkammer in der Hoffnung,
dass er in irgendeinem Winkel Empfang haben würde, aber vergebens. Er glitt an
der Rückwand der Kammer hinunter und starrte auf den Lichtpunkt, der durch das
Schlüsselloch ins Dunkel brach. Dabei dachte er, was für ein Idiot er war. Er
hatte sich vorführen lassen wie ein Tanzbär, eingelullt von billigen Tricks und
der Sehnsucht nach einem neuen Kick in seinem überschaubaren Alltag. Anke
Prückner hatte ihn geködert, Maria Bava ihm die Sinne geraubt, und Anna Popescu
wollte nun an die Liste mit den Codes, die er noch immer in seiner Jacke hatte.
    Er könnte versuchen, die Tür aufzubrechen, aber er wusste nicht, wer
der Mann war, vor dem er in die Kammer geflüchtet war. War es tatsächlich ihr
Vater? Oder ein Komplize? Hatte sie mit ihm gemeinsam Hartmann und Faller
umgebracht, um an deren Aufzeichnungen zu kommen? War er noch da? Es machte
keinen Sinn, gegen die Tür zu rennen. Selbst wenn er sie aufbrächte, könnten
sie ihn abknallen wie Freiwild. Belledin beschloss, abzuwarten. Sie sollten den
nächsten Schritt machen; immerhin wollten sie die Liste.
    Er entsicherte seine Walther und hielt sie schussbereit.
    * * *
    >Er war lange in den Reben umhergeirrt, jetzt hatte er Durst,
höllischen Durst. Wagner sah sich um, ob irgendwo ein Brunnen stand.
Vergeblich. Er fluchte. Da hatte es sieben Wochen ununterbrochen geregnet, und
jetzt fand

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