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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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sonst wären Sie nicht in Sibirien gelandet.«
    »Gut, Leutnant Kirow«, sagte Pekkala. »Sie haben Ihre Botschaft überbracht. Jetzt können Sie wieder nach Hause gehen und mich allein lassen.«
    »Man wies mich an, Ihnen das hier zu geben.« Kirow hob die Aktentasche neben dem Baumstumpf auf.
    »Was ist da drin?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Pekkala packte den Ledergriff. Die Tasche war schwerer als erwartet.
    Der junge Kommissar drehte sich um. »Sie haben Zeit bis morgen zum Sonnenuntergang. Am Ende des Weges wartet ein Wagen auf Sie.«
    Pekkala sah Kirow nach, der den Weg zurückging, den er gekommen war. Lange hörte er noch das Knacken der Zweige. Irgendwann war es still, und Pekkala war wieder allein.
    Mit der Aktentasche trat er in seine Erdhütte, setzte sich auf die mit Kiefernnadeln gefüllten Säcke, auf denen er schlief, und legte sich die Aktentasche auf die Knie. Der Inhalt rutschte schwer in der Tasche hin und her. Pekkala löste die beiden Messingschnallen.
    Als er den Deckel anhob, schlug ihm durchdringender Schimmelgeruch entgegen.
    Darin lag ein schwerer Ledergürtel, der um ein dunkelbraunes Holster mit einem Revolver gewickelt war. Er löste den Gürtel und nahm die Waffe: ein englischer Webley-Revolver in gewöhnlicher Militärausführung, nur dass der Griff nicht aus Holz, sondern aus Messing gefertigt war.
    Pekkala hielt ihn am gestreckten Arm vor sich und visierte an. Das bläuliche Metall schimmerte im schwachen Licht der Hütte.
    In der Ecke der Aktentasche lag eine Munitionsschachtel mit englischer Beschriftung. Er riss den altersschwachen Pappkarton auf und klappte den Rahmen des Revolvers nach oben, so dass die sechs Patronenkammern offen vor ihm lagen. Die Munition war so alt wie der Revolver; Pekkala wischte die Patronen ab, bevor er sie in die Kammern schob.
    Daneben fand sich in der Tasche ein zerschlissenes Buch. Auf dem runzligen Rücken stand nur ein einziges Wort:
Kalevala.
    Er legte die Sachen zur Seite und fand als Nächstes einen kleinen, von einem dünnen Lederriemen zusammengebundenen Baumwollbeutel. Er löste das Band und leerte den Beutel.
    Beim Anblick des Inhalts schnappte er nach Luft.
    Vor ihm lag eine schwere Goldscheibe, deren Durchmesser so groß war wie sein kleiner Finger. In der Mitte befand sich eine ovale weiße Emaille-Einlage, in der wiederum ein großer runder Smaragd saß. Zusammen ergaben die Goldscheibe, das ovale weiße Emaille und der Smaragd die unverkennbare Gestalt eines Auges. Pekkala strich mit dem Finger über die Scheibe und ertastete wie ein Blinder die sanfte Erhebung des Edelsteins.
    Damit wusste er, wer nach ihm geschickt hatte; es war ein Aufruf, dem er sich nicht widersetzen konnte. Er hatte nicht erwartet, diese Dinge noch einmal in seinem Leben zu sehen.
    Bis zu diesem Augenblick hatte er gedacht, sie gehörten zu einer Welt, die es nicht mehr gab.

Er wurde in Finnland geboren, damals, als das Land noch zum Russischen Reich gehörte. Er wuchs in der Nähe der Stadt Lappeenranta inmitten tiefer Wälder und zahlloser Seen auf.
    Sein Vater war Leichenbestatter, der einzige in der Gegend. Im Umkreis von vielen Kilometern brachten die Menschen ihre Toten zu ihm. Sie mühten sich über Waldwege, brachten die Leichname auf klapprigen Karren oder schafften sie im Winter auf Schlitten über die gefrorenen Seen, so dass die Leichen bei ihrer Ankunft hart waren wie Stein.
    Im Schrank seines Vaters hingen drei gleiche schwarze Röcke, dazu drei passende schwarze Hosen. Selbst die Handschuhe waren schwarz. Und er duldete unter keinen Umständen, dass irgendetwas an seiner Kleidung metallisch glänzte. So waren die Messingknöpfe an den Röcken durch Knöpfe aus Ebenholz ersetzt. Er lächelte selten, und wenn er es tat, legte er die Hand vor den Mund wie jemand, der sich seiner Zähne schämte. Sorgfältig pflegte er seine Trübsinnigkeit, die sein Beruf seiner Ansicht nach von ihm verlangte.
    Seine Mutter stammte aus der lappländischen Stadt Rovaniemi. Eine Rastlosigkeit trieb sie um, die nie nachließ. Immer hatte es den Anschein, als spürte sie ein seltsames Zittern der Erde, von dem sie glaubte, sie hätte es am Polarkreis, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte, hinter sich gelassen.
    Er hatte einen älteren Bruder, Anton, der auf Wunsch ihres Vaters mit achtzehn Jahren nach Petrograd abreiste, um sich zum Finnischen Garderegiment des Zaren zu melden. Für Pekkalas Vater gab es keine größere Ehre, als in dieser zur zaristischen Leibgarde

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