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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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bildlich gesprochen.«
    »Bildlich gesprochen?«
    »Eine lange Reise durch die Gesellschaftsklassen«, sagte Halders. »Es braucht viele Generationen von hier nach Långedrag.« Er sah Aneta Djanali an. »Tausend Generationen.«
    »Wenn du es sagst.«
    »Ich sage es. Ich bin noch nie weiter als bis nach Lunden gekommen.« Er schaute zum Himmel hinauf, als wollte er die Luftlinie nach Lunden, südlich vom Redbergsplatsen, abschätzen. »Von hier nach Lunden sind es nicht mehr als sechs Kilometer.«
    »Sechs Generationen«, sagte Aneta Djanali.
    »Aber ich stamme ja nicht von hier«, sagte Halders in einem Tonfall, als würde ihm das erst jetzt bewusst werden.
    »Ich auch nicht.« Eine Gruppe schwarzhäutiger Männer kam ihnen entgegen, und sie machte einen Schritt beiseite. Zwei von ihnen nickten ihr höflich zu. »Von hier stammt doch eigentlich keiner.«
    »Das ist wahr. Gut gesagt, Aneta.«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie standen vor Marias Pizzeria & Café. Das Lokal war erst kürzlich eröffnet worden.
    »Möchtest du Kebab?«, fragte Halders.
    Aneta Djanali sah zwei Schwarze an dem Tisch sitzen, der dem Fenster am nächsten stand, Afrikaner, vielleicht Somalier. Nein, definitiv Somalier. Sie war selbst Afrikanerin, sofern man so genannt werden kann, wenn man in einem Krankenhaus sechs Kilometer von Hammarkullen entfernt geboren worden war. Eine Generation von dort entfernt. Ja, sie war Afrikanerin und gleichzeitig die erste schwedische Generation der Familie Djanali. Ihre Eltern waren aus Ouagadougou im damaligen Obervolta gekommen, waren hierher geflohen. Jetzt hieß das Land Burkina Faso. Sie hatten Göteborg wieder verlassen, als das Heimweh übermächtig geworden war und die politischen Verhältnisse sich zum Besseren gewendet hatten. Da war die Tochter schon erwachsen und Polizistin gewesen. Ihre Mutter war kurz nach der Heimkehr in Ouagadougou gestorben. Aneta hatte ihren Vater in Afrika besucht und das Land zum ersten Mal gesehen, die Stadt. Es war ein aufrüttelndes Erlebnis gewesen. Es war ihr Zuhause und doch kein Zuhause. Sie war zu Hause, wusste jedoch, dass sie niemals in Burkina Faso würde leben können. Das lag nicht an der Armut oder der Sprache, am Job oder an der Kultur. Ja, vielleicht auch daran. Aber es war noch etwas anderes, das sie nie in Worte würde fassen können. Auf dem Flug zurück nach Paris in einer Maschine der Air France hatte sie nicht aufhören können zu weinen. Sie weinte, als sie »nach Hause« kam. Plötzlich war sie überall eine Fremde. Das Gefühl war sie bis heute nicht losgeworden. Vielleicht würde es sie immer begleiten. Vielleicht war es immer da gewesen. Latent vorhanden, wie ein eventueller Schuhabdruck auf Jimmys Fußboden. Es hatte darauf gewartet, zu Tage zu treten, war mit ihr im Krankenhaus von Hammarkullen geboren worden.
    »Morgens um neun mag ich noch keinen Kebab«, antwortete sie. »Aber wir können uns ja ein belegtes Brot teilen.«
    »Wir teilen uns eins«, sagte Halders. »Ich hab sowieso keinen großen Hunger.«
    Sie betraten das Lokal. Die Frau hinter dem Tresen begrüßte sie, als wären sie Stammgäste. Die beiden Männer am Fenster standen auf und gingen.

    Das belegte Brot war dick und vegetarisch.
    »Ganz in Ordnung«, sagte Halders mit vollem Mund. »Ich mag dieses Pfefferzeugs.«
    »Ich weiß«, sagte Aneta Djanali. Sie musste es wissen. Nachdem sie einige Jahre ein Verhältnis gehabt hatten, waren sie in dem Haus in Lunden zusammengezogen. Genau genommen war Aneta eingezogen, denn Fredrik wohnte dort schon mit seinen Kindern Hannes und Magda. Er war in das Haus zurückgekehrt, nachdem ein betrunkener Autofahrer seine geschiedene Frau Margareta überfahren hatte. Einige Zeit hatte Aneta schon mehr oder weniger im Haus gewohnt. Richtig einzuziehen war ein großer Schritt gewesen, für alle. Aber schließlich gab es keine Schritte mehr, die zu machen gewesen wären.
    Manche wunderten sich vielleicht. Fredrik Halders und Aneta Djanali waren kein selbstverständliches Paar.
    Aber Fredrik hatte sich verändert. Er begann zu sich selbst zu finden, wie er es vor gar nicht langer Zeit ausgedrückt hatte. Es gibt jemanden, der bin ich, hatte er gesagt. Es hatte tiefsinnig geklungen und außerdem richtig. Er war immer noch sarkastisch, drastisch, aber nicht mehr so oft und nicht auf die Art wie früher. Er war auf dem besten Weg, Kommissar zu werden. Der Nachwuchs, hatte er es genannt und schief gelächelt. Der Posten musste neu besetzt werden. Der Chef,
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