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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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zuzuhören und sah Aneta Djanali an, als hätte sie ihn verraten.
    »Die Familie wusste also nichts von Hiwas Job?«, fragte Winter.
    »Schwarzarbeit«, sagte Halders.
    »Nicht ganz«, sagte Ringmar.
    »Wer behauptet das?«
    »Dieselbe Quelle, von der wir erfahren haben, dass Hiwa dort gearbeitet hat.«
    »Das ist mir ganz neu«, sagte Halders. »Wer war das?«
    »Ein Nachbar.«
    »Ein Nachbar? Wessen Nachbar?«
    »Vom Laden.«
    »Das klingt ziemlich vage«, sagte Halders.
    »Du wirst es verstehen, wenn du die Umgebung siehst«, sagte Ringmar.
    »Wie ist dieser Nachbar denn aufgetaucht?«
    »Er ist zur Absperrung gekommen«, sagte Winter.
    »Klingt verdächtig.«
    »Wieso?«
    »Tja, wie konnte er wissen, wer im Laden lag?«
    »Wir haben sofort angefangen, die Leute vorm Laden zu verhören«, sagte Ringmar, »Neugierige.«
    »Und?«
    »Dieser Mann hat ausgesagt, er sei am Abend im Laden gewesen und dass die beiden, die dort arbeiteten, anwesend gewesen seien.«
    »Kannte er die Namen?«
    »Ja.«
    »Okay. Aber da wussten wir schon, wer sie waren, oder?«
    »Ja.«
    »Er wusste nichts von dem Dritten, Sair?«
    »Said«, korrigierte Bergenhem.
    »Was?«, fragte Halders.
    »Said«, wiederholte Bergenhem. »Mit einem ›d‹ am Ende.«
    »Himmel, als ob das ein großer Unterschied wäre.«
    »Ich hoffe, das war ein Witz, Fredrik«, sagte Ringmar.
    »Das war ein Witz.«
    »Sonst noch jemand, der Witze machen will?«, sagte Winter. »Oder können wir es jetzt im Ernst durchgehen?«

7
    M ich fror nicht mehr. Wenn die Sonne aufging, fror ich wie ein Hund, und es dauerte zwei Stunden, ehe mir ein bisschen wärmer wurde.
    Ich stand vor dem Zelt und sah die Sonne wie eine Blutorange über den Bergen aufgehen. Um mich herum war plötzlich alles rot, der Sand, das Zelt, die Berge, die Steine.
    Die Kamele waren hundert Meter entfernt. Zwei Kamele. Und die Hunde, die schon wach waren, liefen zwischen den Zelten hin und her und suchten nach Futter, aber es gab kein Futter mehr, nicht für sie und nicht für uns. Deshalb muss ich immer an Blutorangen denken, wenn ich die Sonne aufgehen sehe. Oder an Granatäpfel, eigentlich denke ich an Granatäpfel. Ich will nicht an Blutorangen denken. Es war kaum eine Woche vergangen, seit ich zuletzt einen Granatapfel gegessen hatte, vor der Flucht. Ich mag Granatäpfel. Wenn wir jetzt doch ein Kilo Granatäpfel hätten, dachte ich, während ich dastand.
    Wenn sie doch überhaupt keine Granaten hätten, wenn es gar keine gäbe. Ich wusste, dass es Granaten waren. Das wusste jeder im Dorf. Wenn überall im Dorf Explosionen krachten, wussten wir, was es war. Und wenn wir den Rauch sahen. Die Rauchwolken. Als würden alle Zweige auf der ganzen Ebene gleichzeitig Feuer fangen. Ich sah Flammen in den Himmel züngeln. Es war wie auf den Ölfeldern, aber anders. Dieses Feuer war schwärzer.
    In den letzten beiden Tagen hatten wir nur ein bisschen Wasser und Brot gehabt. Das Brot hatte Mutter aus dem Mehl gebacken, das sie mitgenommen hatte, als wir von zu Hause geflohen waren. Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat. Als hätte sie das Mehl schon vorher in einen Ledersack gepackt. Als hätte sie gewusst, was kommen würde, das Feuer, die Granaten, das Schießen. Die Messer. Dass es kommen würde.
    Mich fror nicht mehr. Ich ging zum anderen Ende des Lagers, es war, als würde ich dort der Sonne näher sein, als würde es wärmer.
    Rauch stieg auf von kleinen Feuern im Lager, nur wenig Rauch. Wir kochten Teewasser, etwas Tee hatten wir noch, aber der würde bald ausgehen. Wir hatten keinen Zucker, und Tee ohne Zucker kann man fast nicht trinken, ich war es nicht gewöhnt.
    Vater hatte immer gesagt, wenn man Zucker für seinen Tee hat, dann ist alles in Ordnung. Er konnte solche Sachen sagen: Hat man Salz für das Brot, dann ist alles gut, hat man Zwiebeln für den Reis, dann ist alles gut, hat man Pfeffer für das Lamm, dann ist alles gut, hat man Butter für die Eier, dann ist alles gut, hat man Öl für die Okras, dann ist alles gut.
    Alles war gut. Zu Hause hatten wir alles gehabt, also war es gut.
    Wir hatten in den alten Palastruinen gespielt. Sie waren fünfhundert Jahre alt und der Palast hatte siebenhundert Jahre gestanden.
    Das Dorf gab es seit tausend Jahren, hatte ich gehört. Später im Lager hörte ich, dass es das Dorf nicht mehr gab, die, die später kamen, haben es erzählt.
    Als ich mich umdrehte, sah ich meine Mutter aus dem Zelt treten. Sie rief mir etwas zu, das ich nicht verstand.
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