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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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finden? Versuchen wir zu finden. Nein, finden. Jagen, sie jagen. Hunt down . Er dachte an seinen Freund im südlichen London, Steve Macdonald, Kriminalkommissar in einem Gebiet, in dem es jedes Jahr Hunderte von Morden gab. Oder im Quartal? Croydon, für sich genommen eine der größten Städte Englands. Aber sie verschwand in London. Göteborg würde in Croydon verschwinden. Für Anfang Oktober hatte Winter eine Woche London mit der Familie geplant. Die beste Zeit. Ein Apartment in Chelsea. Vielleicht ein Pint mit Steve in dem Pub mit Blick über den Selhurst Park, der Heimat des miserablen Clubs Crystal Palace, dessen Mannschaft nur Mörder lieben konnten. Als sie sich das erste Mal getroffen hatten, waren sie ins Prince George in der High Street von Thornton Heath gegangen. Winter war nach London geflogen, um bei den Ermittlungen zu einem Mord an einem jungen Schweden behilflich zu sein, der sich in der Nähe von Clapham Common ereignet hatte. Jetzt stand er auf schwedischem Asphalt in der Morgendämmerung. Langsam wurde der Himmel klarer, verlor sein unschuldiges Licht. Die Sonne war wieder im Aufgehen begriffen. Jetzt stand Winter vor der Tür. Er würde das rote Meer sehen. Es ließ sich nicht wegspülen. Die Konturen des Meeres dort drinnen waren unauslöschlich, die Spuren würden bleiben. Er bezweifelte, dass hier jemals wieder ein Laden eröffnet werden würde, aber er konnte sich täuschen. Die Menschen vergaßen, manchmal sehr schnell. Er wünschte, er könnte das auch. Hier waren sie hereingekommen. Gesichter hier, Gesichter dort. Hatten die Opfer an der Stelle gestanden, wo sie lagen? Es waren nicht viele Schritte, aber sie könnten entscheidend sein, für ihn. Für sie hatte das keine Rolle gespielt. Aber für Winter spielte es eine. Jetzt war alles wichtig. Alles war entscheidend.
    Mit einem Mal überkam ihn wieder dieses Schwindelgefühl. Als würde er für den Bruchteil von Sekunden das Bewusstsein verlieren. Was zum Teufel …? Im Osten tauchte plötzlich die Sonne auf. Ein Strahl traf Winter mitten ins Gesicht. Er spürte einen jähen Schmerz über einem Auge. Das hatte er schon einige Male in diesem Frühsommer erlebt. So etwas sollte man aber nicht fühlen, wenn man nach einem halben Jahr in Südspanien heimkehrte. Dort sollte man nicht zum ersten Mal in seinem Leben eine Migräne entwickeln. Dann war das Schwindelgefühl verschwunden und er dachte nicht mehr daran.

    Fredrik Halders stand mitten auf dem Rasen in der Morgendämmerung. Es war eine Gewohnheit geworden. Zehn Minuten später kehrte er zurück ins Haus. Aneta drehte sich um, als er wieder ins Bett kroch.
    »Was ist, Fredrik?«
    »Kann nicht schlafen.«
    »Versuch’s noch mal«, murmelte sie und drehte sich auf die andere Seite.
    Schweigend schloss er die Augen. Dank des Rollos herrschte barmherzige Dunkelheit im Zimmer. Hinter seinen Lidern zuckten rote und schwarze Punkte. Einige sahen aus wie Froschlaich. Sie schienen sich in einem Muster zu bewegen. In seinem Kopf sah er etwas anderes sich bewegen. Es entfernte sich, es war in etwas eingehüllt. Ihm wurde klar, dass er träumte, und er wusste, was der Traum darstellte. Er wurde wach. Aneta schlief, er kannte ihre gleichmäßigen Atemzüge, die zeigten, dass sie wirklich schlief. Sie schien jederzeit schlafen zu können. Wenn sie entschied zu schlafen, dann schlief sie. Vielleicht ist das ihr Erbe, dachte er. So ist das vielleicht in Afrika. Ich muss sie mal fragen. Er richtete sich auf und streckte sich nach seiner Armbanduhr. Genau fünf, er hatte kaum eine Stunde geschlafen seit dem Spaziergang in der Dämmerung. Das musste reichen. Er stand auf, zog Shorts an und ging in die Küche, um den Wasserkocher anzustellen, überlegte es sich aber anders.
    Im Auto gähnte er und schob die CD ein, die zuoberst auf dem kleinen Haufen auf dem Beifahrersatz lag. Kevin Welch. Es war ein Lied über Regen im Frühsommer, aber hier regnete es nicht. Halders ließ das Seitenfenster herunter. Weicher Regen soll fallen. Irgendwann, irgendwo. Er nahm fast gar keine Gerüche der Stadt wahr, als er in nördliche Richtung fuhr.

    Ein Sonnenstrahl fiel auf das Gebäude, auf den dritten Stock, auf ein Fenster links, wie ein Laserstrahl. Das Fenster wirkte schwarz in dem jähen Licht. Dann war der Strahl verschwunden, als ob die Sonne untergegangen wäre. Winter stand auf dem Weg, der zu den Häusern führte. Er betrachtete das kurze Gras. Er sah den Asphalt. Es war unmöglich, den Asphalt nach
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