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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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verfolgt er mich? Verfolge ich ihn? Plötzlich flogen kreischende Möwen über den Himmel. Winter zuckte zusammen, wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er begann, an den Häusern entlangzugehen, bog um eine Ecke und stieß gegen Halders.
    »Himmel, was machst du denn hier?«
    »Dito, dito.« Halders massierte seine Stirn.
    Winter versuchte etwas hinter Halders zu sehen.
    »Ist dir hier was aufgefallen?«, fragte er Halders.
    »Nein.«
    »Ein Junge, etwa zehn oder elf Jahre alt.«
    »Nein, ich hab niemanden gesehen.«
    »Er war hier«, sagte Winter. »Der Junge.« Er machte eine Handbewegung an den Häusern und allen Ecken entlang bis hin zu dem Weg, dem stillen Laden und wieder zurück. »Der Junge, den ich am Morgen nach dem Mord gesehen habe.«
    »Er war hier?« Halders sah sich um, warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »So früh?«
    »Apropos«, sagte Winter, »was machst du eigentlich hier?«

    Halders spähte in nördliche Richtung. Sie standen vor dem Laden. Winter zündete sich einen Corps an, blies den Rauch aus. Der schwebte durch die klare Luft davon wie eine Abgaswolke. Auf halbem Weg über dem Feld löste er sich auf. Winter nahm erneut einen Zug. Der Rauch brannte in seinem Mund. Vielleicht war es an der Zeit, mit dem Rauchen aufzuhören. Dies sollte der letzte Zigarillo sein. Der Morgen war viel zu schön. Das Leben und all das war viel zu wertvoll. Seine Verantwortung für die Familie und so weiter. Manchmal sagte Angela »und so weiter« auf Deutsch, und Elsa hatte auch schon damit angefangen. Nicht mehr lange, dann würde auch Lilly deutsch sprechen.
    »Sie hatte Besuch«, sagte Winter. »Shahnaz Rezai hatte Besuch.«
    »Von wem?«
    Winter antwortete nicht.
    »Wer sollte sie zu einer solchen Uhrzeit besuchen?«
    »Jemand, der auch hier war.« Winter deutete auf den Laden. Die Glaswände funkelten wie ein Prisma.
    »Und wer hat sie besucht?«, wiederholte Halders.
    »Jemand, den sie kannte.«
    Halders nickte.
    »Sie konnte ja durch den Spion feststellen, wer es war«, sagte Winter. »Einen Fremden hätte sie nicht hereingelassen, schon gar nicht mitten in der Nacht.«
    »Vielleicht hat sie gar keinen reingelassen«, sagte Halders. »Der Mörder befand sich bereits in der Wohnung.«
    »Said, ja.«
    »Said«, bestätigte Halders.
    »Oder jemand, den sie kannte.«
    »Wir wissen noch nicht, mit was für Leuten das Paar Rezai Umgang hatte«, sagte Halders. »Und ich glaub auch nicht, dass es uns gelingt, eine vollständige Liste zu erstellen.«
    »Das ist vielleicht gar nicht nötig«, sagte Winter.
    »Wollen wir fahren?«

    Es gab da ein Schild am Eingang des Einkaufszentrums von Rannebergen oder wie man es nun nennen sollte. Vielleicht Geschäftszentrum. Hinter der Glasfassade sah Winter eine Pizzeria. Er parkte neben der Sport- und Schwimmhalle und kehrte zurück zu dem Schild. »Wir mögen Vororte«, stand darauf. Vielleicht hatte die Wohnungsverwaltung es aufgehängt. Die kassierte die Mieten. Oder die Kommune. Oder irgendeine inoffizielle Einrichtung. Alle mögen Vororte, solange es Vororte bleiben, dachte er. Solange sie sich abseits, an der Peripherie halten. Man schätzt es nicht, wenn die Vororte anfangen sich zu bewegen, auf den Kern zu. Zum Vasaplatsen. Dann ist es Zeit wegzuziehen. Nach Süden, in die südlichen Vororte. Südlich vom Süden. Dort ist es sauberer, hübscher, weißer.
    Aber in Rannebergen war es auch weiß und hübsch. Die Wohnungsverwaltung hatte entschieden, dass in jedem Haus maximal drei Einwandererfamilien wohnen durften. Dass noch nie jemand auf die Idee gekommen war! So was nennt man Integration.
    »Mann, wie viele Fahnen.« Halders schaute an den Hausfassaden hinauf. »Ist heute der Tag der schwedischen Flagge?«
    »Den gibt’s nicht mehr«, sagte Winter. »Der heißt heute Nationalfeiertag.«
    »Ach ja?«
    »Und an dem sind wir schon vorbei«, sagte Winter. »Oder er ist an uns vorbeigegangen.«
    »Ist mir nicht aufgefallen.«
    »Es war ein Feiertag«, sagte Winter.
    »Ist mir auch nicht aufgefallen.« Halders setzte sich in Richtung Fjällblomman in Bewegung.

    Die tote Wohnung war vom Morgenlicht durchflutet. Winter und Halders bewegten sich vorsichtig durch die Räume. Wie immer empfanden sie beide diese merkwürdige Scheu. Sie kamen nach dem Tod. Erst hatte es Leben gegeben, dann war der Tod gekommen und dann kamen Winter und Halders. Aber es war niemand mehr da, den sie um Entschuldigung bitten konnten. Es gab keine Überlebenden. Niemand, der getröstet werden

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