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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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ein Stöckchen oder wie eine Flagge. Er war drei Jahre alt gewesen, höchstens vier. Es war das Auto seines Vaters gewesen oder vielleicht Onkel Göstas Auto. Dann musste es ein Volkswagen gewesen sein. Sein Vater hatte einen Mercedes gefahren. Winter hatte sich später auch einen Mercedes gekauft. Es war wie ein Traum gewesen. Seinem Vater hatte er nichts davon erzählt, weil sie einander zu der Zeit überhaupt nichts erzählten. Später hatten sie wieder miteinander gesprochen, aber da war es zu spät gewesen. Bengt Winter war im Hospital Costa del Sol in Marbella gestorben. Winter hatte ihn im Krankenhaus besucht, doch im Moment des Sterbens war er nicht am Bett seines Vaters gewesen, nicht in der Sekunde, als es geschah.
    Winter folgte Halders auf dem Hammarkullens väg südwärts und bog dann zum Hammarkulletorget ab. Sie parkten. Halders schloss sein Auto ab und kam auf Winter zu.
    »Sie wohnen hinter dem Bahnhof und dem Platz«, sagte er. »Bredfjällsgatan. Klingt nach einer Kleinstadt auf dem Lande.«
    »Eine Stadt kann nicht Land sein«, sagte Winter und stieg aus seinem Mercedes. »Entweder ist es eine Stadt oder es ist auf dem Lande.«
    »Dann sind wir auf dem Lande.« Halders sah sich um. »Das ist meine Vorstellung von Land.«
    »Welchem Land?«
    »Dem Mutterland natürlich. Oder Vaterland, wie du willst.«
    »Stammst du nicht aus Västerås, Fredrik?«
    »Warum fragst du?« Halders sah plötzlich misstrauisch aus.
    »Nur so.«
    »Von wegen«, sagte Halders und setzte sich in Bewegung.
    »Warte«, sagte Winter. »Da winkt uns jemand.«
    »Wo?«
    »Da hinten, bei den Steinen.«
    Jetzt sah Halders ihn auch. Es war ein Mann in ihrem Alter. Er trug ein Jackett an diesem warmen Morgen. Wieder hob er die Hand. Vielleicht lächelte er, oder es war die Sonne. Die flimmerte jetzt, auf den Gesichtern, an den Wänden, im Glas.
    »Wir sind eigentlich erst in einer halben Stunde mit dem Dolmetscher verabredet«, sagte Halders, »gegen neun. Aber das muss er wohl sein.«
    Der Mann kam auf sie zu und sie gingen ihm entgegen. Vielleicht lächelte er immer noch, oder es war die Sonne in seinen Augen, die ihn die Lippen verziehen ließ.
    »Mozaffar Kerim.« Er reichte erst Winter und dann Halders die Hand. »Ich bin ein bisschen zu früh da.«
    »Wir auch«, sagte Halders.
    »Wohnen Sie in Hammarkullen?«, fragte Winter.
    Kerim zuckte zusammen. Die Frage war so abrupt gekommen, wie bei einem Verhör. Dies ist kein Verhör, dachte Winter. Ich brauche die Hilfe dieses Mannes.
    »Nein … in Gårdsten.«
    »Kennen Sie die Familie Aziz?«, fragte Winter.
    »So wie wir Kurden uns eben kennen«, antwortete Kerim.
    »Und wie kennen Sie sich?«, fragte Halders.
    »Wie Brüder und Schwestern.«
    »Ich meine, ob Sie der Familie schon einmal begegnet sind. Jemandem aus der Familie. Haben Sie sie persönlich getroffen?«
    »Hin und wieder«, antwortete Kerim. »Auf Festen.«
    »Sind das große Feste?«, fragte Winter, um das Gespräch etwas aufzulockern.
    »Manchmal«, antwortete Kerim.
    »Sind Sie Hiwa Aziz begegnet?«, fragte Halders.
    »Ich glaube ja. Aber es war sehr … wie nennen Sie das … flüchtig?«
    Winter fiel auf, dass er mit den Augen auswich, vielleicht wegen der Sonne, vielleicht weil es Zeit war zu gehen, vielleicht aus einem anderen Grund.
    »Woher kommt der Name?«, fragte er. »Aziz?«
    »Wahrscheinlich von seinem Vater.« Kerim sah ihn überrascht an. »Wenn der Vater hier gewesen wäre, hätten die Kinder den Namen seines Vaters bekommen.«
    »So funktioniert das?«
    Kerim nickte.
    »Wir haben eigentlich drei Namen.«
    »Wo ist er?«, fragte Winter. »Der Vater?«
    »Die Familie ist ohne ihn nach Schweden gekommen.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Er ist tot. Umgebracht worden. Das war in Kurdistan. Irakisches Kurdistan, glaube ich. Aber vielleicht war es auch die türkische Seite.«
    »Wissen Sie, aus welchem Ort die Familie stammt?«
    »Nein.«

    Die ältere Schwester öffnete ihnen die Tür. Halders fragte sie nicht, wohin sie unterwegs gewesen war, als er sie auf dem Platz gesehen hatte. Das wäre kein guter Start für das Verhör. Oder das Gespräch, wie Winter es lieber bezeichnete.
    Sie begrüßten die junge Frau.
    »Nasrin«, sagte sie und drehte sich sofort um und zeigte auf ein Zimmer, durch den Flur. Seine Wände waren weiß, jedenfalls wirkten sie weiß im Gegenlicht. Die Sonne schien geradewegs herein, da die Fenster keine Jalousien oder Vorhänge hatten. Der Flur führte zu

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