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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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werden alles tun, was in unserer Macht steht, um den Mörder Ihres Bruders zu fassen.«
    Sie nickte.
    »Deswegen müssen wir all diese Fragen stellen. Einige mögen dumm wirken. Vielleicht sind sie dumm. Manche wirken vielleicht … hart. Ich weiß es nicht. Wir müssen so viele Fragen stellen, besonders jetzt zu Anfang, nachdem es gerade geschehen ist. Verstehen Sie? Wir brauchen Ihre Hilfe und die Ihrer Mutter, Ihrer Familie. Alle Hilfe, die wir bekommen können. Wir brauchen Sie.«
    »Uns hat nie jemand geholfen«, sagte Nasrin.
    Winter schwieg. Er schaute Halders an, der nickte.
    »Alle Hilfe, die Sie bekommen können, sagen Sie. Und wir?«, fragte Nasrin.
    Winter sah, dass sie noch mehr sagen wollte, aber sie verstummte und ließ ihren Blick wieder aus dem Fenster schweifen.
    »Kann ich gehen?« Das war Sirwa. »Darf ich rausgehen?«
    »Klar«, sagte Winter.
    »Und ausgerechnet von uns verlangen Sie jetzt Hilfe«, fuhr Nasrin fort, ohne Winter anzuschauen.
    Sirwa verließ das Zimmer. Vielleicht würde ihre Schwester sie bald durchs Fenster auf dem Hof sehen.
    Winter erhob sich und ging zum Fenster, stellte sich jedoch so hin, dass er Nasrin nicht die Aussicht versperrte. Er sah einige Kinder in der Sandkiste. Ein Kind schaukelte auf einer der zwei Schaukeln. Es war wie immer. All diese Kinder auf diesen gottverlassenen Spielplätzen. Ich hab genug davon gesehen. Jetzt kam Sirwa unten aus dem Haus. Rasch überquerte sie den Spielplatz, ohne sich umzudrehen oder zum Fenster hinaufzuschauen, an dem er stand. Eins der Kinder, ein kleines Mädchen, hob grüßend die Hand und Sirwa winkte zurück. Und dann war sie hinter einer Ecke verschwunden. In dieser Geschichte verschwinden Kinder dauernd hinter Ecken, dachte Winter. Sie verschwinden einfach.
    »Sie ist sehr traurig«, hörte er Nasrin plötzlich neben sich sagen. Sie hatte sich erhoben und stand jetzt neben ihm.
    Winter nickte. Er fragte nicht, was Nasrin empfand. Das hätte alles zerstören können. Aber es war schon alles zerstört, unabhängig davon, was er tat oder sagte.
    »Was meinen Sie, wohin sie geht?«, fragte Winter.
    »Ich weiß, wohin sie geht«, sagte Nasrin.
    »Und wohin?«
    »Dorthin, wo Azad ist.«
    »Und wo ist er?«
    Nasrin antwortete nicht.
    »Ist es wichtig für mich, das zu erfahren?«, fragte Winter.
    »Nein.«
    »Dann werde ich nicht mehr danach fragen.«
    »Gut.«
    »Aber ich wollte Sie nach dem Laden fragen.«
    »Das verstehe ich.«
    »Wie lange hat Hiwa dort gearbeitet?«
    »Nicht lange.«
    »Einen Monat? Zwei?«
    »Vielleicht fünf Monate oder vier. Ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß auch nicht mehr, wann er es erzählt hat. Vielleicht hat er es erst erzählt, nachdem er schon eine Weile dort gearbeitet hat.«
    »Wie hat er den Job gefunden?«
    »Ich weiß es nicht. Das hat er nie erzählt.«
    »Kannten Sie den Laden, bevor Hiwa dort gearbeitet hat?«
    »Ja … ich weiß, wo er ist. Bis Hjällbo ist es nicht weit. Ich glaube, die meisten, die hier wohnen, kennen den Laden.« Sie warf Winter einen Blick zu. »Der war ja Tag und Nacht geöffnet. So was wissen die Leute.«
    »Wie gut kannte Hiwa Jimmy Foro?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ist es nicht seltsam, dass er das nicht erzählt hat?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt.«
    »Aber trotzdem.«
    »Mir genügte es, dass er einen Job hatte. Und ihm auch. Es war ja kein Ganztagsjob, aber immerhin … ein Job.« Sie machte eine Handbewegung zu Hammarkullen hinaus, zu allem, was sie vom Fenster aus sehen konnten und vielleicht zu dem, was sie nicht sehen konnten. »Hier gibt es keine Arbeit, vor allen Dingen nicht für uns.«
    »Was machen Sie selber?«
    »Ich? Was spielt das für eine Rolle?«
    »Gehen Sie noch zur Schule?«
    »Ja, komisch, was? Ich gehe in die zweite Klasse des Gymnasiums, Zweig Gesellschaftskunde.«
    »Aufs Angeredsgymnasium?«
    »Wo sonst?«
    »Weiß ich auch nicht«, sagte Winter.
    »So lange es eben dauert«, sagte sie.
    »Mhm.«
    »Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja.«
    »Und was ist das Ihrer Meinung nach?«
    »Dass Ihre Familie vielleicht nicht bleiben darf?«
    »Ja. Meine und viele andere.«
    »Das ist beschissen.«
    »Aber wenn Leute abgeschoben werden, sind Sie immer sehr hilfsbereit.«
    Winter antwortete nicht.
    »Müssen Sie so hilfsbereit sein?«
    »Nein.«
    »Aber Sie sind es.«
    Auch darauf antwortete Winter nicht. Unten sah er eine Frau, die einem Kind Sand von den Knien wischte, dann ging sie davon. Da unten gab es viel Sand, der Spielplatz war

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