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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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ersten Mal zu hören.
    »Hat Hiwa erzählt, wo er gearbeitet hat?«, fragte Winter.
    Ediba Aziz schüttelte den Kopf.
    »Er hat es nicht erzählt?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    »Wussten Sie, dass er in einem Laden arbeitete?«
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
    Winter schaute Nasrin an, aber sie wich seinem Blick aus. Sie hatte beschlossen, nichts mehr zu sagen. Winter sah es ihr an. Jetzt mussten alle allein zurechtkommen, ohne ihre Hilfe. Ihr Profil zeichnete sich scharf ab, wie aus der Luft geschnitten. Sechs Jahre trennten Nasrin und Hiwa, es waren doch sechs? Nein, sieben. Sie musste außer sich sein vor Trauer. Außer sich. Ein seltsamer Ausdruck. Vielleicht stimmte es. Sie war hier und war doch nicht hier. Sie war dort draußen, wo ihr Blick war, außerhalb von sich selbst. Sie ist das Grün da draußen, die Sonne und vielleicht die Kinder.
    »Ich möchte, dass Sie auf meine Fragen antworten, Frau Aziz. Dass Sie mit Worten antworten. Dass Sie etwas sagen.«
    »Ich wusste nicht, dass er in diesem Laden gearbeitet hat«, antwortete sie.
    »Sind Sie mal dort gewesen?«
    Sie sah auf. In ihren Augen war ein Ausdruck von aufrichtigem Staunen.
    »Warum sollte ich dort gewesen sein?«
    »Vielleicht um einzukaufen.«
    »Das ist … weit entfernt«, antwortete sie.
    »Sie wissen, wo der Laden ist?«, fragte Winter.
    Jetzt sah sie womöglich verwirrt aus. Sie warf ihrer ältesten Tochter einen Blick zu, ihrem Profil.
    »Nasrin …«
    Nasrin wandte ihnen das Gesicht zu. »Ja?«
    Die Mutter deutete mit dem Kopf auf Winter.
    »Was ist?«, fragte Nasrin.
    »Der Laden …«, sagte die Mutter.
    »Was ist damit?«
    »Wo ist der?«
    »Hjällbo. Er ist in Hjällbo.«
    Ediba Aziz wandte sich Winter zu.
    »Hjällbo«, sagte sie.
    »Wussten Sie schon vorher davon?«, fragte Winter. »Bevor Ihr Sohn … bevor das mit Ihrem Sohn passiert ist?«
    »Nein.«
    »Hat er nie darüber mit Ihnen gesprochen?«
    »Nein.«
    »Nie über seine Arbeit gesprochen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Sie antwortete nicht. Winter wiederholte die Frage. Kerim wiederholte sie, ehe Winter am Ende war. Sie waren jetzt ein Team.
    »Ich … habe nicht gefragt«, sagte sie.
    »Aber Sie wussten, dass er arbeitete?«
    »Ein bisschen«, antwortete sie nach einer Pause.
    »Ein bisschen? Sie wussten, dass er ein bisschen arbeitete?«
    »Ja.«
    »Hat er Geld nach Hause gebracht?«
    »Ja.«
    »Viel Geld?«
    »Nein. Ein wenig.«
    »Wie wenig?«
    »Nicht viel«, antwortete sie.
    Sie versteht nur Bahnhof, dachte Winter. Sie weiß nicht viel von diesem Job. Vielleicht mochte sie ihn nicht fragen. Vielleicht hat sie geglaubt, es handle sich um Dinge, von denen sie lieber nichts wissen wollte.
    Plötzlich erhob sie sich, vorsichtig, und sagte etwas zu dem Dolmetscher.
    »Sie muss zur … sie muss …«
    »Das ist in Ordnung«, unterbrach Winter ihn.
    Die Frau verließ das Zimmer so langsam, als hätte sie Probleme zu gehen. Winter konnte ihre Beine nicht sehen, auch keine anderen Teile ihres Körpers, nur Teile ihres Gesichtes.
    Die jüngere Schwester folgte den Schritten der Mutter mit dem Blick. Sie braucht nicht anwesend zu sein, dachte Winter. Das war ein Versehen.
    »Du kannst rausgehen, wenn du willst, Sirwa«, sagte er. »Oder machen, was du möchtest.« Er versuchte zu lächeln, sein freundliches Gesicht zu zeigen. »Du brauchst nicht zu bleiben.«
    »Hätten Sie das nicht gleich sagen können?«, fragte Nasrin.
    »Doch.«
    Sie sah plötzlich erstaunt aus, als wäre das die letzte Antwort gewesen, die sie von einem Polizisten erwartete. Dass dieser Polizist so defensiv wirken konnte.
    »Da haben wir wohl einen Fehler gemacht«, fuhr Winter fort.
    »Kann die Polizei Fehler machen?«, sagte Nasrin.
    »Das kommt vor«, antwortete Winter.
    Er sah, dass Halders zur Bestätigung nickte.
    »Das hab ich noch nie gehört«, sagte Nasrin. Sie lächelte nicht, aber in ihrem Blick war etwas … vielleicht Ironie … vielleicht nur Resignation. Enttäuschung. »Die Polizei gibt nie zu, wenn sie Fehler macht.«
    »Sie haben mich ja noch nie gefragt«, sagte Winter. »Oder meinen Kollegen.«
    Jetzt lächelte sie. Es war tatsächlich ein Lächeln, aber es verschwand sofort wieder.
    »Wir haben kein Vertrauen zur Polizei.«
    »Polizisten sind nicht alle gleich«, sagte Winter.
    »Ach?«
    »Nasrin, wir gehören zum Fahndungsdezernat, der Kriminalpolizei, Landeskripo. Wir ermitteln im Mordfall Ihres Bruders. Das ist der Grund, warum wir hier sind, der einzige. Wir

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