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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Dieses Muster konnte wer weiß was darstellen und nichts gab Anstoß zu guten Assoziationen.
    »Hast du noch mehr, was darauf hindeutet, dass es sich um zwei gehandelt hat?« Winter wies mit dem Kopf auf die Fotos. »Dieses Muster sieht wahrhaftig seltsam aus. Mussten die sich wirklich so viel bewegen? Wäre es nicht … ökonomischer gewesen, wenn sie einfach still gestanden und geschossen hätten?«
    »Mehr, was darauf hindeutet, dass es zwei waren? Ja … wie die Opfer lagen … Wir wissen ja nicht genau, wer zuerst umgebracht wurde, aber ich glaube, sie liegen in der Reihenfolge, wie sie gestorben sind.« Öberg schaute Winter an. »Es ist schnell gegangen.«
    »Hatten die Mörder abgesprochen, wer wen erschießen sollte? Ich denke gerade laut nach.«
    Öberg antwortete nicht. Er betrachtete die Bilder, plötzlich wie vertieft in das, was er sah. Als hätte er sie noch nie gesehen.
    Er blickte auf.
    »Du hast von diesem … seltsamen Muster gesprochen, wie du es nanntest. Und wie die Opfer liegen … daran habe ich vorher gar nicht gedacht, nicht richtig. Überprüf das ruhig noch einmal.« Er sah wieder auf die Bilder. »Darüber können wir uns später noch mal unterhalten.«
    »Worüber genau?«
    »Wie sie sich im Raum bewegt haben, diese Leute mit Schuhschutz.« Öberg tippte mit einem langen Zeigefinger auf ein Foto. »Hier. Hier. Und hier. Am Tresen, wo Aziz liegt. Siehst du es? Da ist etwas wie ein Kreuz.«
    »Ja, ich sehe es. Daran hab ich auch schon gedacht. Was mag das bedeuten?«
    »Die Mörder scheinen sich gegenseitig in die Quere gekommen zu sein.«

22
    U nd dann überschritten wir die Grenze. Jedenfalls sagten sie, wir hätten sie überquert. Es war irgendwo bei Zaxo, aber der Name sagt Ihnen nichts. Ich könnte auch von Bagifa, Amedi, Sersink, Kanimasi reden, irgendwelchen Städten, die es dort gibt, aber auch sie würden Ihnen nichts bedeuten. Es gibt unser Land, das es nicht gibt. Das werden Sie niemals verstehen. Das kann niemand, der ein eigenes Land hat, in das er gehen kann.
    Die Landschaft bedeutet mir nichts. Ich könnte beschreiben, wie sie aussieht, aber was spielt das für eine Rolle. Möchten Sie, dass ich es erzähle? Sie ist nicht damit zu vergleichen, wie es hier aussieht. Hier gibt es auch Steine, ja, aber nicht solche Steine. Hier gibt es auch Sand, doch nur an den Stränden. Dort gibt es keine Strände. Wir denken nicht an Strände, nicht auf die Art. Nicht ans Meer, nicht so. Hier ist das Meer ganz in der Nähe.
    Wir sind manchmal hingefahren, als wir in diesem Land, dieser Stadt angekommen waren, wir sind einmal an einem Nachmittag hinausgefahren, zuerst mit der Straßenbahn und dann mit dem Bus, und dann sind wir ein Stück zu Fuß gegangen, und dann waren wir am Meer. Das ist lange her, wie ein anderes Leben. Aber nun bin ich schon bei diesem anderen Leben, als wir hierherkamen, angelangt und habe den Bogen zu schnell geschlagen. Dazwischen ist mehr passiert. Ich habe ja gesagt, dass wir gerade die Grenze überschritten hatten, ohne Papiere. Die hatten wir weggeworfen. Jemand hatte uns geraten, sie wegzuwerfen, sonst würde man sie stehlen und sie wieder benutzen, jemand anderes würde unseren Namen annehmen, und dann wird man jemand anders, wir würden dauernd über die Grenze hin und her wechseln, unsere Namen würden das tun, und auf die Weise würden wir nie von dort wegkommen. Verstehen Sie? Und als wir ohne Papiere hier ankamen, waren wir namenlos. Wir waren niemand. Keiner glaubte uns. Alle glaubten, wir hätten unsere Papiere weggeworfen, wir seien andere, die nur zum Geldverdienen hergekommen waren oder weil das Essen hier besser ist oder das Wetter oder weil die Betten weicher sind. Und nicht, weil wir gezwungen waren, aus unserem Land zu fliehen, das nicht unser Land war. Keiner glaubte, dass wir zur Flucht gezwungen worden waren. Flieh! Dass wir sonst schon tot gewesen wären. Dass viele von uns gestorben waren.
    Dann kamen viele Tage und Nächte, in denen wir nicht wussten, wo wir waren. Neue Grenzen, alte Grenzen. Meine Mutter wurde krank, und eines Nachts sagte sie, sie könne nicht mehr. Es war in einem Zug, einem Güterwaggon, vielleicht auch auf einem Laster. In einem Zelt. Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht wussten die Schmuggler auch nicht, was passieren würde. Wir hörten Schüsse in der Nacht. Wir hörten, dass Leute verschwanden. Wir hatten große Angst. Ständig hatten wir Angst.

23
    A uf dem Tisch standen frische Blumen aus dem Wald, das war

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