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Rotglut - Kriminalroman

Rotglut - Kriminalroman

Titel: Rotglut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mehr Kraft, als er vermutet hatte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er knapp eine Stunde Zeit hatte, sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, seine kleine Rede noch einmal zu proben, seine müde Stimme noch einmal mit Kraft zu füllen.
    Yves’ Gedanken schweiften ab. Die Augen fielen ihm zu und, als hätte sein letztes Stündlein geschlagen, zogen einige Stationen seines Lebens an ihm vorüber.
    Seine Flucht in eine ungewisse Zukunft. Warum war es überhaupt so weit gekommen? Im Nachhinein betrachtet, waren seine Aktionen doch ganz harmlos gewesen. Na ja, bis auf die Sache mit dem Polizisten. Danach hatte sich alles verändert und er hatte die Seiten gewechselt. Wechseln müssen. Seiner Mutter zuliebe. Gut, dass sie nie von alldem erfahren hat.
    Und dann war diese einmalige Gelegenheit gekommen und er hatte sie sofort beim Schopf gepackt.
    Die drei hatten sich wie Idioten verhalten. Zumindest einer von ihnen. Es hätte klar sein müssen, dass er die Stimme erkennen würde. Sie konnten heute noch froh sein, dass er sie hatte laufen lassen, sonst würden sie bis zum heutigen Tag im Knast schmoren. Und dafür war die Summe geradezu läppisch klein gewesen, die er von ihnen verlangt hatte.
    Ein Summen drang an Yves’ Ohr, er schlug die Augen auf, eine Biene tanzte vor seinem Gesicht. Mit einem Taschentuch verscheuchte er sie und wischte sich den Speichel, der sich in seinem Mundwinkel gesammelt hatte, fort. Er hätte sich besser etwas zu trinken mitgenommen. Das war ja übrigens die neueste Mode. Hier liefen alle mit einer Flasche Wasser oder Saft in der Hand herum, vor allem junge Mädchen hatten permanent etwas zu trinken am Hals. Die würden an der Elfenbeinküste verdursten.
    Er hatte sie beobachtet: Flasche her, Stöpsel ab, kurzer Zug, Stöpsel zu, Flasche wie eine kleine Keule schwingend in der Hand. Und dies alle paar Meter erneut. Albern.
    Yves verdrehte etwas seinen Oberkörper und spähte auf den Weg. Noch niemand in Sicht. Als Treffpunkt hatte er den Findling in der Nähe vorgeschlagen. Der Hermann-Löns-Stein war von seiner Mutter immer wieder angesteuert worden. Sie war eine glühende Verehrerin des Dichters gewesen, der im selben Jahr starb, als sie das Licht der Welt erblickt hatte. Der Findling stand etwas abseits des Weges.
    Yves sah sich für einen Moment als kleines Kind, das mit knubbeligen, verdreckten Fingern die vier Buchstaben, die in den Stein gemeißelt waren, nachfuhr. Es musste mit seinem Alter oder eher noch mit seiner Erkrankung zusammenhängen, dass er dermaßen sentimental wurde. Er stand auf, sein linkes Bein knickte unter ihm weg und er konnte sich gerade noch an der Bank festhalten. Als er den Stein erreichte, war der Schwächeanfall vorüber und er hatte sich schon wieder gefangen. Wie in Kindertagen malte er mit seinem Zeigefinger über die Buchstaben. L Ö N S.
    Ein Räuspern hinter ihm ließ ihn herumfahren. Das Gesicht, in das er blickte, hatte sich kaum verändert. Der Mann war lediglich dicker geworden, aber sonst?
    Ein wenig verunsichert schaute er drein, so als ob er es nicht fassen konnte, dass Yves leibhaftig vor ihm stand.
    »Bist du allein? Ich dachte, ihr kommt beide«, sagte Yves misstrauisch.
    »Ich bin allein«, war die knappe Antwort. »Bringen wir es hinter uns. Es reicht, dass ich die erste Halbzeit wegen dir verpasse. Also, was willst du genau?«, herrschte der Mann ihn an. Seine Stimme klang heiser, wie von jemandem, der sein Leben lang zu viele Zigaretten und zu viel Hochprozentiges genossen hatte.
    Yves holte Luft, was ihm schwerfiel, und ein Hustenanfall schüttelte ihn. Es hörte sich an wie Hundegebell.
    »Ich dachte, ich hätte mich am Telefon klar ausgedrückt. Nein? Doch? Eh bien. Ich habe nichts zu verlieren. Mein Arzt hat mir höchstens noch ein halbes Jahr gegeben. Also, es geht hier nicht um mich. Ich habe so lange geschwiegen, ich kann weiter schweigen. Vielleicht glaubt ihr, ich wäre senil geworden oder einfach nur sentimental. Nennt es, wie ihr wollt. Ich möchte nur meine Tochter versorgt wissen. Das ist alles, um was ich euch bitte. Nein, was ich von euch verlange.« Er hielt kurz inne. »Eh bien. Ich weiß, dass es euch an nichts fehlt, dass ihr mehr als euer Auskommen habt. Also, ich will nicht gierig erscheinen, aber 50.000 Euro halte ich für angebracht. Natürlich von jedem von euch. Ich weiß nicht, wie lange und ob überhaupt ich in Bremen bleiben werde. Ich gebe euch eine Woche. Danach findet ihr mich auf einem

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