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Rotglut - Kriminalroman

Rotglut - Kriminalroman

Titel: Rotglut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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abgestellt hatte. Im Kofferraum hatte er vorsorglich einen kleinen Koffer und eine Umhängetasche deponiert.
    Das Handtuch schüttelte er aus, faltete es sorgfältig zusammen und legte es in den Koffer. Zwei Minuten später saß er im Auto und fuhr Richtung Flughafen. Unterwegs hatte er noch kurz auf einem Rastplatz angehalten und den Kanister mitsamt dem Hammer in einen Mülleimer geworfen.
    Allmählich dämmerte der Morgen, der Straßenverkehr nahm zu, je näher er dem Flughafen kam. Lange dauern würde es wohl nicht, bis das ausgebrannte Autowrack entdeckt wurde. Aber er lag gut in der Zeit.
    Am Flughafen suchte er zunächst die Herrentoilette auf, um sich umzuziehen, denn Pullover, Hemd und Cordhose rochen trotz aller Vorsicht nach Benzin. Die Kleidung stopfte er in eine Plastiktüte, die er anschließend unter dem Berg dreckiger Papierhandtücher, die sich im Papierkorb nahe dem Waschbecken angesammelt hatten, vergrub. Jetzt trug er nur eine leichte Leinenhose und ein langärmeliges Polohemd, die Tweed-Jacke von Yves Saint-Laurent lag lässig über seinem Arm. Im Flughafen war es warm genug und nach draußen in die Kälte musste er nicht mehr. An seinem Zielort würden deutlich wärmere Temperaturen herrschen als in Deutschland.
    Zuletzt hatte er den Mietwagen zurückgegeben, die Frau am Schalter hatte ihm noch einen guten Flug gewünscht.
    Eine junge Dame am Check-in hatte ihn beflissen angelächelt, einen Blick in seinen Pass geworfen und ihm seine Bordkarte überreicht. »Bon voyage, Monsieur et un séjour agréable à Paris.«
    »Merci«, hatte er ihr charmant zugezwinkert.

    Die Lautsprecherdurchsage lässt verlauten, dass sein Flugzeug bereit zum Einsteigen ist. Der Mann strafft die Schultern und geht durch die Fluggastbrücke, die direkt ins Flugzeug führt. Sein neues Leben hat in diesem Moment begonnen.

Acht Monate zuvor, April 1974, Bremen
    Mit lautem Gelächter verabschieden sich die fünf Studenten von ihren drei Kommilitonen, die noch auf ein Beck’s in der Kneipe ›Rote Ameise‹ im Viertel sitzen bleiben. Professor Schlaufheimer ist bereits vor einer halben Stunde gegangen. Er hatte seine acht Studenten auf ein Bier eingeladen. Die jungen Leute sind Teilnehmer seines Arbeitskreises ›Die neuen Partisanen – der Weg in das Unrecht‹. Schlaufheimer, Professor für Jura und Rechtsethik, hat mit ihnen in heißen Diskussionen darüber gestritten, ob sich aus den Studentenbewegungen Ende der 60er Jahre in Italien oder Deutschland zwangsläufig Terrorgruppen bilden mussten.
    Der Professor, ein Mann um die 40, ist das große Vorbild seiner Studenten. Mit seinen langen, dunklen Locken, der schlanken Statur und der immer gleichen Kleidung – schwarze Hose, schwarzer Rolli – unterscheidet er sich kaum von seinen Schülern. Der Professor ist einige Tage zuvor aus Chile zurückgekehrt, wo er sich mit Vertretern der Kirche getroffen hatte, um sich über die Menschenrechtsverletzungen und die Zustände in den Foltergefängnissen zu informieren. Sein Bericht hat bei den Studenten großes Entsetzen hervorgerufen.
    Und nun besitzen die USA und einige westeuropäische Länder die Frechheit, dem Diktator Pinochet Wirtschaftshilfe zuzusagen. Wobei das eigentlich nicht verwunderlich ist, denn schließlich haben die Amerikaner den Putsch im vergangenen Herbst unterstützt.
    Die Kneipe ist, obwohl es bereits auf die Sperrstunde zugeht, immer noch voll, und dichter Zigarettenqualm dringt in jede Ritze der schlichten Holztische und Stühle, bleibt in der Kleidung der Gäste hängen.
    »Wir sollten es machen wie der Andi«, tönt einer der drei Studenten, ein Junge von vielleicht 19 Jahren, mit fettigen blonden Haaren und einem Ziegenbärtchen. Das Kinn hat er tief in seinen grob gestrickten Pullover gesteckt, sodass nur die Unterlippe mit dem Bartansatz knapp hervorlugt.
    »Was nuschelst du da, was für ein Andi?«, fragt seine Tischnachbarin. Ihre Gedanken sind eben noch bei Schlaufheimer gewesen. Einfach ein klasse Typ. Und diese Augen! Dunkelblau, himmlisch.
    »Ja, der Andi eben. Der hat echt Courage. Hat einfach ’ne Bombe ins Karstadt-Kaufhaus geworfen. So etwas sollten wir machen. Und wenn die Bullen uns festnehmen, werden wir der Öffentlichkeit zurufen, was wir von dem Schwein Pinochet halten.« Der Blonde hat sich in Rage geredet.
    Das Mädchen stoppt seinen Redefluss. Wie eine etwas zu groß geratene Audrey Hepburn sitzt sie mit übereinandergeschlagenen Beinen am Tisch. Ihre schwarzen Haare hat sie

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