Rotglut - Kriminalroman
sondern auf den anderen«, rechtfertigt er sich.
»Das stimmt nicht«, widerspricht ein Mann in Zivilkleidung. »Ich habe genau gesehen, wie der Mann hier auf den Polizisten gezielt hat!« Er fasst einen der Uniformierten am Arm. »Das werde ich bezeugen. Nehmen Sie das zu Protokoll«, fordert er.
»Wie ist Ihr Name?«, fragt der Polizeibeamte und zückt Notizblock und Kugelschreiber.
»Gerd Weidner.«
Stegmann versucht, sich aus dem harten Griff der beiden Männer, die ihn festhalten, zu winden. Seine Schulter ist wahrscheinlich bereits ausgekugelt, jedenfalls schmerzt sie höllisch. Raimund beginnt, sich zur Wehr zu setzen. Er tritt einen der Polizisten, der immer noch Raimunds nun gesicherte Waffe hält, ans Schienbein.
»Komm schon, Raimund, ganz langsam. Beruhig dich. Die Jungs machen nur ihre Arbeit.« Sein Mitarbeiter Edmund Bothe, der herbeigeeilt ist, redet besänftigend auf ihn ein.
»Wir kriegen das schon alles wieder hin, Raimund. Mensch, jetzt lassen Sie ihn doch mal wieder los. Sie brechen ihm ja den Arm. Haben Sie nicht gehört, was er gesagt hat? Ein Querschläger muss Ihren Kollegen getroffen haben. So eine verdammte Scheiße!«
Raimund beginnt jetzt, unkontrolliert zu zittern. Er hat tatsächlich einen Menschen erschossen.
»Ganz ruhig, Raimund, wir alle hier können bezeugen, dass es ein Unfall war.« Edmund blickt ihn zuversichtlich an.
In der Obernstraße jaulen die Sirenen von Polizei- und Krankenwagen um die Wette. Noch während der Notarzt zu dem am Boden liegenden Mann eilt, lässt sich Raimund, der nun ganz ruhig geworden ist, von zwei Polizisten aus dem Raum führen.
Peer eilt zwischen den beiden Lieferwagen des Party-Service auf die Straße. Hier hinten ist nichts los. Alle rennen durch die Obernstraße zum Haupteingang. Eigentlich hat er sich seiner Wachdienstkleidung entledigen wollen. Doch dafür bleibt keine Zeit. Gott sei Dank fallen die beige Hose und Jacke kaum auf, das Logo auf dem Rücken wird den wenigsten Leuten etwas bedeuten. Drei Polizisten, die aus einem Einsatzfahrzeug springen, werfen ihm einen kurzen Blick zu.
»Beeilen Sie sich, Ihr Kollege ist schwer getroffen worden. Der Schütze wurde bereits festgenommen.« Die Männer stürmen los.
Eine Stunde später sitzt Peer frisch geduscht mit einem Glas Tomatensaft im Zimmer seiner kleinen Pension. Die Aktion ist nicht annähernd so verlaufen, wie er es sich vorgestellt hat.
Er zieht das Telefon zu sich heran, das in einem grünen Brokatüberzug steckt, passend zu den alten Staubfängern von Vorhängen. Piefig eben, wie die gesamte Einrichtung des Zimmers. Er wählt eine Nummer, lässt viermal läuten, legt auf, wählt erneut. Am Ende wird abgehoben.
»Niederbeck, die ganze Geschichte ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Stegmann hat einen Polizisten erschossen. Mach das Beste draus.« Er legt auf.
6. Juli 2010, Bremen
Peter Dahnken ließ sich das Gespräch mit Saskia Uhlenbruck nochmals durch den Kopf gehen. Aber es hatte nichts zutage gefördert. Auf Nachfragen hatte sie erzählt, dass sie erst nach dem Besuch ihres Vaters von dessen Vergangenheit erfahren hatte. Warum sie das nicht beim ersten Mal erwähnt hätte? Saskia hatte angegeben, dass sie immer noch über die Ereignisse schockiert war und der Vergangenheit ihres Vaters im Zusammenhang mit seinem Tod keine Bedeutung beigemessen hatte.
Peter seufzte. Na ja, vielleicht gab es auch keine Verbindung, aber irgendwie kam es ihnen allen spanisch vor, dass Stegmann, kaum, dass er zurück in Deutschland war, mit eingeschlagenem Schädel im Bürgerpark lag.
»Na, was grübelst du?«, fragte Harry, der in ihr gemeinsames Büro hereinstürmte wie ein Derwisch, sich schwungvoll in seinen Bürostuhl warf und durch das halbe Zimmer rollte.
»Ich denke darüber nach, ob Stegmann vielleicht Dreck am Stecken hatte, irgendwas in der Zeit, als er noch in Bremen lebte, was andere so in Rage gebracht hat, dass sie sich jetzt seiner entledigt haben. Vielleicht hat er ja auch von kriminellen Machenschaften gewusst und er sollte für immer schweigen. Keine Ahnung, was genau das gewesen sein könnte. Oder ob seine Vergangenheit eben nichts damit zu tun hat. Hast du schon eine Antwort von der Elfenbeinküste bekommen?«
»Ja, hab ich. Stegmann, oder besser Renard, war all die Jahre Betreiber einer kleinen Strandbar, ›La Corne‹ heißt das Ding, in Sassandra. Reich ist er damit sicher nicht geworden. Ich meine, wer macht da denn schon Urlaub? Ist ja immerhin nicht gerade
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